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Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd

Titel: Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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an.

30
     
    Es war genau zwei Uhr morgens, als Smithback die Tür zu seinem Zimmer aufschob. Vorsichtig spähte er durch den schmalen Spalt nach draußen. Der Flur im dritten Stock war dunkel, niemand zu sehen. Er schob die Tür noch etwas weiter auf und warf einen Blick in die andere Richtung. Auch da war niemand.
    Er schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Sein Herzschlag raste. Das rührte sicher nur daher, dass er so lange auf diesen Augenblick gewartet hatte. Stundenlang hatte er wach im Bett gelegen und so getan, als schliefe er, obwohl er die ganze Zeit detailliert seine Flucht geplant hatte. Früher am Abend hatte er draußen noch gelegentlich leise Schritte gehört. Gegen elf hatte eine Schwester nach ihm gesehen und ihn nicht weiter gestört, als sie bemerkte, dass er reglos im Bett lag. Seit Mitternacht war es vor seiner Tür mucksmäuschenstill gewesen.
    Höchste Zeit, seinen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen.
    Nach seinem Wutanfall vor dem Direktor war Smithback am Abend wie üblich zum Essen begleitet worden. Man hatte ihm seinen Platz zugewiesen und die Speisekarte gereicht, als sei nichts geschehen – offenbar waren Ausbrüche von Verfolgungswahn in River Oaks an der Tagesordnung. Nach dem Essen hatte er seinen obligatorischen einstündigen Küchendienst abgeleistet und verderbliche Lebensmittel in die Kühlräume der weitläufigen Küche im ersten Stock der Klinik zurückgebracht.
    Und dabei war es ihm gelungen, einen Schlüssel zum Keller zu entwenden.
    Er hatte zwar erst zweimal Küchendienst gehabt, aber die Arbeitsabläufe waren ihm trotzdem schon einigermaßen klar. Angeliefert wurde durch eine Laderampe auf der Rückseite des Gebäudes. Von dort wurden die Waren dann durch den Keller in die Küche hinaufgebracht. Echte Sicherheitsvorkehrungen gab es keine: Die Hälfte des Küchenpersonals, vom Chefkoch bis zu den Tellerwäschern, schien einen Schlüssel zum Keller zu haben, außerdem wurde die Tür während der Arbeitszeit ständig aufgeschlossen, geöffnet und wieder verschlossen. Als der stellvertretende Küchenchef nach unten gegangen war, um ein Küchengerät zu holen, nutzte Smithback die Gelegenheit und steckte unbemerkt den Schlüssel ein, der im Schloss steckte. Dann war der Souschef, ächzend unter dem Gewicht eines Grills, wieder aus dem Keller hochgekommen, hatte aber vergessen, wieder abzuschließen.
    So einfach war das gewesen.
    Jetzt war Smithback doch ein wenig nervös. Weil er drei Hemden, einen Pullover und zwei Paar Hosen übereinander trug, schwitzte er. Aber die Vorsichtsmaßnahmen waren erforderlich: Wenn alles nach Plan lief, hatte er eine lange, kalte Autofahrt vor sich.
    Während des Küchendienstes hatte er erfahren, dass der erste Lieferwagen mit Lebensmitteln um halb sechs an der Laderampe eintraf. Wenn er in den Keller gelangte, dort bis zum Eintreffen des Lkws wartete und sich dann auf der Ladefläche versteckte, würde niemandem sein Verschwinden auffallen. Es würden mindestens zwei Stunden vergehen, bis man seine Abwesenheit bemerkt hätte – und dann wäre er schon weit weg, auf dem Weg nach New York und damit dem Einflussbereich des Dr. Tisander und seiner Legion von unheimlichen, schwarzuniformierten Schwestern entzogen.
    Smithback schob die Tür erneut einen Spaltbreit auf. Totenstille. Er schob sie ein Stückchen weiter auf, schlüpfte auf den Flur und schloss die Tür geräuschlos hinter sich.
    Nachdem er kurz über die Schulter geblickt hatte, ging er über den Flur in Richtung Treppenabsatz, wobei er sich eng an der Wand hielt. Es war kaum wahrscheinlich, dass man ihn entdeckte: Die Helligkeit der Deckenlampen war herunterreguliert worden, so dass die bernsteinfarbenen Lichtkreise nur ein trübes Licht spendeten. Die Landschaftsbilder und Porträts an den Wänden waren dunkle, nicht voneinander zu unterscheidende Rechtecke. Der Teppichboden war so dick und kastanienbraun, dass er fast schwarz wirkte.
    Nach fünf Minuten hatte Smithback den Treppenabsatz erreicht. Hier war es ein wenig heller. Er blieb stehen und horchte, ob auf der Treppe Schritte zu hören waren. Er machte einen Schritt, dann noch einen und lauschte angestrengt.
    Nichts.
    Smithback stieg die Treppe hinunter, die Hand auf dem Geländer, bereit, beim ersten Anzeichen, dass sich jemand näherte, die Stufen wieder hinaufzuflitzen. Als er auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock angekommen war, zog er sich in eine dunkle Ecke zurück und hockte sich hinter ein Sideboard.

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