Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
verraten. Er beugte sich vor, packte das dicke Seil und zog probeweise ein-, zweimal daran. Und dann begann er, ächzend und mit aller Kraft, den Speisenaufzug nach oben zu hieven.
Es kam ihm vor, als dauerte es eine halbe Ewigkeit. Als die Großtat vollbracht war, keuchte und schnaufte Smithback und hatte seine drei Hemden völlig durchgeschwitzt. Er machte eine Pause, um sich einen Moment auszuruhen, und sah sich um. Immer noch niemand da.
Dann widmete er sich wieder dem Speisenaufzug; er kletterte hinein und zwängte sich mit seinen langen Beinen in den beengten Raum. Er schloss die Metalltür hinter sich. Es war stockfinster.
Und während er so mit angezogenen Knien in dem Speisenaufzug saß, dämmerte Smithback, dass es gar nicht so leicht sein würde, das Ding nach unten zu lassen. Dann fiel ihm ein, dass er ja die Hände gegen die Vorderwand des Schachts legen, Druck nach oben ausüben und so den Speisenaufzug nach unten bewegen konnte, Zentimeter um Zentimeter. Das war eine schweißtreibende, anstrengende Arbeit, aber nach einigen Minuten streiften seine Hände den Stahlrahmen einer weiteren Metalltür. Er hatte den ersten Stock erreicht – und damit die Küche. Trotz der erstickenden Enge verharrte er einen Augenblick und lauschte. Als er nichts hörte, schob er die Tür auf.
In der Küche war niemand zu sehen. Der einzige eingeschaltete Beleuchtungskörper war das Notausgangszeichen, das den weitläufigen Raum in ein trübes dunkelrotes Licht tauchte. Smithback kletterte hinaus, schüttelte die Beine aus und sah sich um. Dort, in der gegenüberliegenden Wand, befand sich die Tür zum Keller.
Fast am Ziel. Jetzt konnte ihn nichts mehr aufhalten. River Oaks war vielleicht imstande, Bekloppte wie Roger Throckmorton einzukerkern, aber doch nicht Leute wie ihn, William Smithback.
Die Küche war eine merkwürdige Mischung aus Alt und Neu. Den großen rußgeschwärzten Kamin flankierten Profi-Edelstahlmixer, die so groß waren, dass eine Familie hineingepasst hätte. Von der Decke hingen lange Schnüre von geflochtenen Knoblauchknollen, Chilischoten und Küchenkräutern; der Chefkoch war Bretone. Auf den granitenen Arbeitsflächen standen blitzblanke Küchengeräte. Dutzende von deutschen Qualitätsmessern hingen in verschlossenen Metallschränkchen, deren Glasscheiben mit Stahlfäden verstärkt waren.
Aber Smithback hatte nur Augen für eines: die mächtige Holztür in der gegenüberliegenden Wand. Rasch ging er darauf zu und schloss sie auf. Eine steinerne Treppe führte hinab in die Dunkelheit.
Vorsichtig trat er auf die oberste Stufe, wobei er darauf achtete, auf dem rutschigen Stein nicht auszugleiten. Er zog die Tür hinter sich ins Schloss und verriegelte sie, wodurch der blassrote Schein des Hinweisschildes für den Ausgang verlosch, und stieg die Treppe in den stockfinsteren Keller hinunter, während er größte Umsicht walten ließ und die Stufen zählte.
Nach der vierundzwanzigsten Stufe war er unten angelangt. Er blieb stehen und schaute sich um. Aber da war nichts zu sehen: die Dunkelheit, die ihn umgab, war noch undurchdringlicher. Die Luft roch moderig und feucht. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass er eine Taschenlampe hätte klauen und sich unauffällig nach dem Grundriss des Kellers und dem Weg zur Laderampe hätte erkundigen sollen. Vielleicht sollte er seinen Fluchtversuch lieber um ein, zwei Tage verschieben, auf sein Zimmer zurückgehen und es an einem anderen Abend noch einmal probieren…
Er schob diese Gedanken beiseite. Dafür war es jetzt zu spät, er konnte nicht mehr zurück: Denn er würde den Speisenaufzug nie und nimmer wieder zum Speisesaal raufziehen können. Außerdem stand sein Job auf dem Spiel. Und er wollte, er musste mit Nora sprechen. Bis zur ersten Anlieferung der Lebensmittel am Morgen blieben ihm noch drei Stunden. Das war reichlich Zeit, den Weg zu Laderampe zu finden.
Smithback atmete tief durch, um sich zu beruhigen, dann noch einmal, um das leise Geflüster der Angst in sich zu unterdrücken. Er streckte tastend die Arme aus und fing an, sich langsam geradeaus zu bewegen, wobei er erst den einen, dann den anderen Fuß nach vorne schob. Nach etwa zehn Schritten berührte er eine Backsteinmauer, die im rechten Winkel zu ihm verlief. Er wandte sich nach rechts und begann wieder, sich geradeaus zu bewegen, jetzt ein wenig schneller, während er mit der einen Hand an der Wand entlangstrich.
Da war ein Geräusch, zusätzlich zu seinen Schritten: das leise
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