Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
war.
»Ist da jemand?«, rief sie.
Eine Gestalt tauchte aus dem Halbdunkel auf, zuerst die Umrisse eines Gesichtes, dann ein kurz geschnittener, silbergrauer Bart – und Nora atmete erleichtert auf. Es war nur Hugo Menzies, der Leiter der Ethnologischen Abteilung und ihr unmittelbarer Vorgesetzter. Er hatte sich kürzlich mit einer Gallenkolik herumgeschlagen und wirkte immer noch ein bisschen blass um die Nase, die fröhlichen Augen rot gerändert.
»Hallo, Nora«, sagte der Kurator mit einem liebenswürdigen Lächeln. »Darf ich?«
»Selbstverständlich.«
Menzies glitt auf einen Stuhl. »Was für eine himmlische Ruhe hier unten. Sind Sie allein?«
»Ja. Wie ist die Lage da oben?«
»Die Menschenmenge vor dem Museum wächst weiter an.«
»Ich hab die Leute gesehen, als ich gekommen bin.«
»Das Ganze ist äußerst unschön. Sie beschimpfen und schikanieren die eintreffenden Mitarbeiter und blockieren den Verkehr auf dem Museum Drive. Und ich fürchte, das ist nur der Anfang. Es ist eine Sache, wenn der Bürgermeister und der Gouverneur Erklärungen abgeben, aber eine ganz andere Sache, wenn auch die Bürger New Yorks in Harnisch geraten. Gott bewahre uns vor dem Zorn des
vulgus mobile
.«
Nora schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, dass Bill der Urheber …«
Menzies legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. »Bill war nur der Bote. Er hat dem Museum einen Gefallen getan, als er diesen unklugen Vertuschungsplan aufgedeckt hat, bevor er sich durchsetzen konnte. Die Wahrheit wäre ohnehin ans Licht gekommen.«
»Ich begreife nicht, wieso sich jemand die Mühe macht, die Diamanten zu stehlen, um sie dann zu vernichten.«
Menzies zuckte die Achseln. »Wer weiß schon, was im kranken Hirn eines Geistesgestörten vor sich geht? Zumindest zeugt es von einem unstillbaren Hass auf das Museum.«
»Was hat das Museum ihm getan?«
»Diese Frage kann nur eine einzige Person beantworten. Aber ich bin nicht hier, um Mutmaßungen über die Motive eines Kriminellen anzustellen. Ich bin aus einem ganz speziellen Grund hier, der mit den Ereignissen da oben zu tun hat.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich komme gerade von einer Besprechung in Dr. Collopys Büro. Wir haben eine Entscheidung getroffen, und diese Entscheidung betrifft auch Sie.«
Nora wartete, von leiser Beunruhigung beschlichen.
»Kennen Sie das Grab des Senef?«
»Nie davon gehört.«
»Nicht überraschend. Kaum ein Museumsmitarbeiter weiß etwas darüber. Es handelt sich um eine der ersten Ausstellungen des Museums, ein ägyptisches Grab aus dem Tal der Könige, das in diesen Kellergewölben wieder aufgebaut wurde. In den dreißiger Jahren wurde die Ausstellung geschlossen, das Grab zugemauert und seither nie wieder geöffnet.«
»Und?«
»Was das Museum im Moment braucht, ist eine positive Meldung, irgendein Projekt, das jeden daran erinnert, dass wir immer noch wichtige Arbeit leisten. Eine Ablenkung, sozusagen. Diese Ablenkung wird das Grab des Senef sein. Wir werden es wieder öffnen, und ich möchte, dass Sie die Leitung dieses Projekts übernehmen.«
»Ich? Aber ich habe meine Forschungsarbeit seit Monaten aufgeschoben, um bei der Organisation der
Bildnisse des Heiligen
-Ausstellung zu helfen.«
Ein ironisches Lächeln umspielte Menzies’ Lippen. »Das ist richtig, und deshalb bitte ich Sie, diese Aufgabe zu übernehmen. Ich habe gesehen, was Sie für die
Bildnisse des Heiligen-
Ausstellung geleistet haben. Sie sind die Einzige in der Abteilung, die das Zeug für dieses Projekt hat.«
»Wie viel Zeit hätte ich?«
»Collopy möchte die Sache im Eiltempo durchziehen. Wir haben sechs Wochen.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Die Existenz des Museums steht auf dem Spiel. Um die finanzielle Lage ist es schon seit längerem sehr schlecht bestellt. Und angesichts dieser neuen Welle negativer Publicity könnte alles geschehen.«
Nora schwieg.
»Was diese Sache ins Rollen gebracht hat«, fuhr Menzies leise fort, »ist, dass wir gerade zehn Millionen Euro – dreizehnMillionen Dollar – erhalten haben, um das Projekt zu finanzieren. Geld ist kein Thema. Wir werden die uneingeschränkte Unterstützung des Museums erhalten, vom Kuratorium bis zu den Gewerkschaften. Das Grab des Senef war die ganze Zeit verschlossen, deswegen müsste es sich eigentlich in relativ gutem Zustand befinden.«
»Bitten Sie mich nicht, das zu tun. Betrauen Sie Ashton damit.«
»Ashton fehlt der Kampfgeist. Er ist Kontroversen nicht gewachsen. Ich habe gesehen, wie
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