Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
Zeitschrift
Natural History,
einem Roman von Tolstoi, einem tragbaren CD-Player, einem Laptop und einer Ausgabe der
New York Times.
Sie griff nach der Zeitung, blätterte durch den Rubrikenteil. Vielleicht konnte sie ja das Kreuzworträtsel lösen, bevor Phyllis den Tee brachte.
Jetzt, da ihr Zustand nicht mehr kritisch und sie auf dem Wege der Besserung war, hatte sich eine gewisse Routine in ihrem Krankenhausalltag eingestellt. Der regelmäßige Plausch mit Phyllis am Nachmittag gehörte zu den Höhepunkten im Tagesablauf. Sie hatte kaum Besucher – eigentlich gar keine, abgesehen von ihrer Mutter und Captain Laura Hayward –, und was sie außer ihrer Arbeit am meisten vermisste, war Gesellschaft.
Sie griff nach einem Stift und widmete sich dem Kreuzworträtsel. Aber es handelte sich um eine dieser kniffligen Denksportaufgaben, bei denen man fünfmal um die Ecke denken und komplizierte Anspielungen erraten musste, und geistige Anstrengungen erschöpften sie immer noch sehr schnell. Nach ein paar Minuten legte sie das Rätsel beiseite. Ihre Gedanken wanderten zu Haywards letztem Besuch und den unangenehmen Erinnerungen, die er geweckt hatte.
Es beunruhigte sie, dass sie sich nur ganz verschwommen an den Angriff erinnerte. Sie bekam immer nur einzelne Bruchstücke, kleine Zipfel zu fassen, wie nach einem Albtraum, aber sie konnte sie nicht in einen logischen Zusammenhang bringen. Sie war in der
Bildnisse des Heiligen
-Ausstellung gewesen, um die Anordnung einiger Masken amerikanischer Ureinwohner zu überprüfen. Dann hatte sie gespürt, dass da außer ihr noch jemand im Ausstellungsraum war, der sich in der Dunkelheit verborgen hielt. Der auf sie lauerte. Sie verfolgte.
Sie in die Enge trieb.
Sie erinnerte sich vage, dass sie sich dem An greifer gestellt, sich mit einem Teppichmesser gewehrt hatte. Hatte sie ihren Verfolger verletzt? Insbesondere die Erin nerung an den eigentlichen Überfall war bruchstückhaft: Sie wusste nur noch, dass sie einen stechenden Schmerz im Rücken verspürt hatte – und dann in diesem Zimmer wieder aufgewacht war.
Margo Green faltete die Zeitung zusammen, legte sie auf den Nachttisch. Besonders verstörend war, dass sie sich nicht daranerinnern konnte, was ihr Verfolger gesagt hatte, obwohl sie ganz genau wusste, dass er mit ihr gesprochen hatte. Seine Worte waren wie weggewischt, ein schwarzer Fleck. Woran sie sich dagegen sehr gut erinnerte, was sich ihrem Gedächtnis regelrecht eingebrannt hatte, das waren die seltsamen Augen des Mannes und sein schreckliches, höhnisches Lachen.
Sie wälzte sich unruhig in ihrem Bett herum und fragte sich, wo Phyllis blieb, während sie immer noch an Haywards Besuch dachte. Die Leiterin der Mordkommission hatte ihr viele Fragen über Agent Pendergast und seinen Bruder gestellt, einen Mann mit dem seltenen Namen Diogenes. Es war alles sehr merkwürdig: Margo hatte Pendergast schon seit Jahren nicht mehr gesehen, und sie hatte nicht einmal gewusst, dass der FBI-Agent einen Bruder hatte.
Endlich öffnete sich die Tür ihres Zimmers, und Phyllis kam herein. Aber sie trug kein Tablett mit Teegeschirr, und statt der üblichen freundschaftlichen Miene hatte sie ihr förmliches Schwesterngesicht aufgesetzt.
»Sie haben Besuch, Margo«, sagte sie.
Margo hatte kaum Zeit, diese Ankündigung zu verdauen, als auch schon eine vertraute Gestalt im Türrahmen erschien: Der Leiter ihrer Abteilung im Museum, Dr. Hugo Menzies. Er war wie üblich mit nachlässiger Eleganz gekleidet, trug das dichte weiße Haar aus der Stirn gekämmt und ließ seine lebhaften blauen Augen einmal kurz durch den Raum wandern, bevor er sie auf Margo richtete.
»Margo!«, rief er auf sie zukommend. »Was für eine Freude, Sie zu sehen!«
»Ganz meinerseits, Dr. Menzies«, antwortete sie. Ihre Überraschung über den Besuch ging schnell in Verlegenheit über: Sie war nicht gerade passend gekleidet, um ihren Chef zu empfangen.
Aber Menzies, der ihr Unwohlsein zu spüren schien, nahm ihrschnell die Befangenheit. Er bedankte sich bei Phyllis, wartete, bis die Schwester den Raum verlassen hatte, und setzte sich dann zu ihr ans Bett.
»Was für ein schönes Zimmer!«, rief er aus. »Und mit einem bezaubernden Blick auf das Hudson-Tal. Das Licht hier wird eigentlich nur noch von dem in Venedig übertroffen; vielleicht hat es deshalb so viele Maler angezogen.«
»Ja, ich hätte es nicht besser treffen können. Man behandelt mich sehr gut hier.«
»Na, das will ich doch hoffen!
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