Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
Die widerhallenden Schritte, die umstürzenden Regale. Die plötzliche Dunkelheit.«
Margo spürte eine Welle der Panik in sich aufsteigen. Sie starrte Menzies an, unfähig, sich auf seine Worte zu kon zentrieren. Der Ethnologe redete weiter mit seiner leisen, beruhigenden Stimme auf sie ein. »Ein Lachen im Dunkeln. Und dann das Zustoßen des Messers … Nein, Margo. Solche Erinnerungen möchte niemand haben.«
Und dann hörte sie, wie Menzies lachte. Aber es war nicht seine Stimme. Nein: Es war eine andere Stimme, eine völlig andere Stimme: ein grauenhaftes, höhnisches Lachen.
Die schreckliche Erkenntnis traf sie trotz ihrer bleiernen Müdigkeit wie ein Schock.
Nein. O nein. Das konnte nicht sein …
Menzies saß in seinem Stuhl, sah sie durchdringend an, als wolle er die Wirkung seiner Worte abschätzen.
Dann zwinkerte er ihr zu.
Margo versuchte, sich wegzudrehen, öffnete den Mund, um zu schreien. Doch kein Ton löste sich aus ihrer Kehle. Das Gefühl der Kraftlosigkeit wurde übermächtig, machte sie unfähig, zu sprechen oder sich zu bewegen. Verzweifelt erkannte sie, dass dies keine normale Müdigkeit war, dass irgendetwas mit ihr geschah …
Menzies ließ seine Hand von ihrem Handrücken gleiten, und als er es tat, sah sie zu ihrem Entsetzen, dass er seine andere Hand darunter verborgen hatte. Er hielt eine kleine Spritze, mit der er eine farblose Flüssigkeit in die Kanüle auf ihrem Handgelenk injizierte. Im selben Moment zog er die Spritze heraus, ließ sie in seiner Hand verschwinden und steckte sie dann in seine Anzugjacke.
»Meine liebe Margo«, sagte er, jetzt mit völlig verwandelter Stimme, während er sich zurücklehnte »Hast du wirklich geglaubt, dass du mich nie wiedersiehst?«
Panik und ein verzweifelter Überlebenswille stiegen in ihr auf – aber sie fühlte sich vollkommen machtlos gegen die Droge, die sich in ihren Adern auszubreiten begann, die ihre Stimmeversagen ließ und ihre Glieder lähmte. Menzies sprang hoch, legte einen Finger auf die Lippen und flüsterte: »Zeit zu schlafen, Margo …«
Die verhasste Dunkelheit brandete heran, verschlang Gedanken und Wahrnehmungen. Panik, Schock und Ungläubigkeit fielen von Margo ab, als allein schon der bloße Akt des Atemholens zur quälenden Anstrengung wurde. Während sie völlig gelähmt in ihrem Bett lag, sah sie, wie Menzies sich umdrehte und aus dem Zimmer eilte, und hörte schwach, wie er nach einer Schwester rief. Doch dann ging auch seine Stimme in dem dumpfen Dröhnen unter, das ihren Kopf auszufüllen begann. Die Dunkelheit sammelte sich in ihren Augen, und das Dröhnen verebbte in Schwärze und ewiger Nacht, bis sie schließlich das Bewusstsein verlor.
18
Vier Tage nach ihrer Besprechung mit Menzies war die Soundand-Light-Show schließlich fertig installiert und bereit zur Fehlersuche. An diesem Abend wollten sie die letzten Kabel verlegen und alles miteinander verbinden. Jay Lipper kauerte in der Halle der Streitwagen neben einem staubigen Loch und lauschte den verschiedenen Geräuschen, die daraus hervordrangen: Grunzen, schweres Atmen, gedämpfte Flüche. Sie arbeiteten bereits die dritte Nacht in Folge bis in die Puppen, um die Installation fertigzubekommen, und er war hundemüde.
Lange würde er das nicht mehr durchhalten. Die Ausstellung beherrschte mittlerweile sein gesamtes Leben. Seine Mitspieler im
Land of Darkmord
hatten ihn allesamt abgeschrieben und ohne ihn mit dem Online-Spiel weitergemacht. Inzwischenwaren sie ihm eine, manche sogar zwei Ebenen voraus, und er lag hoffnungslos zurück.
»Haben Sie’s?«, hörte er die gedämpfte Stimme DeMeos aus dem Loch. Lipper sah nach unten und entdeckte das Ende eines Faseroptikkabels, das aus der Dunkelheit ragte. Lipper packte das Ende. »Hab’s.«
Er zog das Kabel weiter heraus, wartete, dass DeMeo von der anderen Seite kam. Kurz darauf erschien DeMeos vierschrötige Gestalt, von hinten angestrahlt und im trüben Licht des Grabmals nur umrisshaft erkennbar, auf dem Gang und kam schnaufend auf ihn zu, die Kabelrolle um die massigen Schultern geschlungen. Lipper reichte ihm das Kabelende, und DeMeo stöpselte es hinten in ein PowerBook ein, das auf einem Arbeitstisch in der Nähe stand. Später, wenn die Kunstgegenstände alle an ihrem Platz waren, würde der Laptop gut verborgen hinter einer Goldbüste stehen. Doch vorläufig stand er noch für alle sichtbar und leicht zugänglich im Raum.
DeMeo klopfte sich grinsend den Staub von den Hosenbeinen.
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