Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
Kommandobrücke.
»Commodore?«, sagte Mason.
Aber Cutter antwortete nicht. Er starrte hinaus, durch die Fenster der Kommandobrücke, den Blick auf einen unbestimmten Horizont gerichtet.
»Commodore?«, wiederholte Mason.
Keine Antwort.
»Also gut.« Mason wandte sich zu der versammelten Gruppe um. »Als Stellvertretender Kapitän der
Britannia
entziehe ich hiermit gemäß Artikel V Commodore Cutter wegen Pflichtversäumnis das Kommando. Wer unterstützt mich?«
LeSeur schlug das Herz so laut, dass es sich anfühlte, als wollte es seinen Brustkorb sprengen. Er schaute sich um – und sah die verängstigten, zögernden Blicke der anderen. Dann trat er vor.
»Ich.«
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46
Pendergast betrachtete noch immer den Braque. Eine kleine Frage, ein leiser Zweifel nistete sich an den Rändern seines Bewusstseins ein, breitete sich aus und füllte die Leere, die er in seinem Geist hervorgerufen hatte. Langsam sickerte der Zweifel in sein bewusstes Denken.
Mit dem Gemälde stimmte etwas nicht.
Es handelte sich nicht um eine Fälschung. Es war ohne jeden Zweifel echt, und es war auch genau das Gemälde, das fünf Monate zuvor auf der Winterauktion von
Christie’s
verkauft worden war. Aber trotzdem stimmte da
irgendetwas
nicht. Zum einen war der Rahmen verändert worden. Doch das war nicht alles …
Er erhob sich, näherte sich dem Gemälde und blieb Zentimeter davor stehen, dann trat er langsam zurück und blickte forschend darauf. Plötzlich dämmerte es ihm: Es fehlte ein Teil. Auf der rechten Seite hatte das Gemälde zwei, drei Fingerbreit verloren, oben mindestens eine Handbreit.
Er stand reglos da. Er war sich sicher, dass das Gemälde bei
Christie’s
intakt verkauft worden war. Das konnte nur eines bedeuten: Blackburn selbst hatte es verstümmelt, aus Gründen, die nur er kannte.
Pendergast dachte über diese bizarre Tatsache nach: dass ein Kunstsammler ein Gemälde verstümmelte, das ihn über drei Millionen Dollar gekostet hatte.
Er nahm das Gemälde von der Wand und drehte es um. Die Leinwand war vor kurzem neu ausgekleidet worden, so wie man es bei einem Gemälde erwarten konnte, dessen ursprüngliche Größe verringert worden war. Er beugte sich vor und roch daran: ein kreidiger Geruch nach Klebstoff, den man bei Neubespannungen benutzte, stieg ihm in die Nase. Er war noch sehr frisch, viel frischer als fünf Monate. Er drückte mit dem Fingernagel hinein. Der Klebstoff war kaum getrocknet. Das Bild war in den letzten ein, zwei Tagen neu bespannt worden.
Er sah auf die Uhr: fünf Minuten.
Rasch legte er das Gemälde mit der Vorderseite nach unten auf den dicken Teppich, zog ein kleines Messer aus der Tasche, schob es zwischen die Leinwand und den Spannrahmen; dann drückte er – äußerst vorsichtig – auf die Klinge, wodurch die innere Kante der Leinwand zum Vorschein kam. Sofort fiel ihm ein dunkler, loser Streifen alter Seide auf.
Es war eine falsche Auskleidung, eine Art doppelter Boden; etwas war dahinter verborgen. Etwas so Wertvolles, dass Blackburn ein drei Millionen teures Gemälde zerschnitten hatte, um es zu verstecken.
Rasch untersuchte er die Zwischenauskleidung. Diese wurde vom Druck zwischen der Leinwand und dem Spannrahmen gehalten. Langsam, behutsam klappte Pendergast die Leinwand von der einen Seite des Spannrahmens, löste die Auskleidung, dann wiederholte er das Ganze auf den anderen drei Seiten. Er beließ das Gemälde mit der Bildseite nach unten auf dem Teppich, packte die jetzt losen Ecken der Auskleidung zwischen Daumen und Zeigefinger, zog sie ab.
Versteckt zwischen der falschen und der echten Auskleidung befand sich ein Seidengemälde, bedeckt von einem losen Seidentuch. Pendergast hielt es auf Armeslänge von sich weg, legte es auf den Teppich und zog das Seidentuch herunter.
Einen Moment lang war sein Kopf völlig leer. Es war, als hätte ein plötzlicher Windstoß den schweren Staub aus seinem Gehirn geblasen und eine kristalline Reinheit zurückgelassen. Das Bild setzte sich in seinem Bewusstsein selbst zusammen, seine Gedankenprozesse kehrten zurück. Es handelte sich um ein sehr altes tibetisches Mandala von erstaunlicher, außerordentlicher, völlig unergründlicher Komplexität. Phantastisch, unglaublich ausgefeilt, eine wirbelnde, ineinander übergreifende geometrische Phantasie mit einem Gold- und Silberrand, eine beunruhigende, sich auflösende Palette von Farben von der Schwärze des Alls. Eine Galaxie für sich, in der Milliarden von Sternen um
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