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Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit

Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit

Titel: Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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Mann auch ein Adept. Doch letztlich war es nicht wichtig, wie er davon erfahren hatte: Seine Stunden waren gezählt. Blackburn hatte schon einmal die zerstörerische Kraft einer
tulpa
erlebt, und diejenige, die er durch reine Willenskraft heraufbeschworen hatte, war außerordentlich subtil und machtvoll. Kein Mensch konnte ihr entrinnen.
    Er holte tief Luft, schauderte. In diesem Zustand des Hasses und der Furcht, der Bindung an die Materie, konnte er sich dem Agozyen einfach nicht nähern. Irdische Begierden zu befriedigen, das war so, als wenn man Wasser zum Meer trüge: eine nie endende Aufgabe und letztlich eine sinnlose dazu.
    Tief und langsam einatmend, setzte er sich, schloss die Augen und konzentrierte sich auf nichts. Als er spürte, wie die Kräuselungen seiner Gedanken sich glätteten, stand er wieder auf, ging zum anderen Ende des Salons, nahm den Braque von der Wand, drehte ihn um und löste die falsche Auskleidung, wodurch das
thangka
darunter zum Vorschein kam. Dieses zog er mit äußerster Sorgfalt hervor und hängte es – wobei er den Blick abwandte – mit einer seidenen Kordel an einen goldenen Haken, den er in der Nähe in die Wand geschlagen hatte.
    Blackburn nahm vor dem Gemälde die Lotusstellung ein, legte die rechte Hand auf die linke, wobei die Daumen sich berührten und ein Dreieck bildeten. Er neigte leicht den Kopf und ließ die Zungenspitze den Gaumen direkt hinter seinen oberen Schneidezähnen berühren, sein Blick war unfokussiert und auf den Boden gerichtet. Dann hob er, herrlich langsam, den Blick und schaute auf das Agozyen-Mandala.
    Das Bild wurde wunderschön von den flackernden, auf großen Silbertellern angeordneten Kerzen ausgeleuchtet; Gelb- und Goldtöne spiegelten sich auf der Oberfläche des
thangka
wie flüssiges Metall. Langsam – ganz langsam – öffnete es sich ihm. Blackburn spürte, wie die Kraft des
thangka
sich wie Kriechstrom in ihm ausbreitete.
    Das Agozyen-Mandala war eine Welt für sich, ein gesondertes Universum, so verschlungen und tief wie das unsere, eine unendliche Komplexität, aufgespannt auf einer zweidimensionalen Oberfläche mit vier Rändern. Doch das Agozyen zu betrachten, bedeutete, das Bild auf magische Weise aus seinen zwei Dimensionen zu befreien. Es nahm Gestalt und Form im Geist des Betrachters an; die merkwürdigen, ineinander verschlungenen Linien des Gemäldes verwandelten sich in zahllose elektrische Leitungen, in denen die Ströme seiner Seele flossen. Während er zu dem Gemälde wurde und das Gemälde er, verlangsamte sich die Zeit, löste sich auf und hörte letztlich auf zu existieren; das Mandala durchdrang sein Bewusstsein und seine Seele und ergriff vollkommen Besitz von ihm: Raum ohne Raum, Zeit ohne Zeit, alles und nichts zugleich werdend …

[home]
61
    Die Stille, die sich über den matt erleuchteten Salon der
Tudor-Suite
gesenkt hatte, strafte die unterschwellige Spannung Lügen. Constance stand vor Pendergast und sah zu, wie er wieder seelenruhig einen Schluck Tee nahm und dann die Tasse beiseitestellte.
    »Also?«, fragte er. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Constance holte tief Luft. »Aloysius, wie kannst du nur so ruhig dort sitzen und etwas befürworten, das gegen alles verstößt, wofür du je eingetreten bist?«
    Pendergast seufzte mit kaum verhohlener Ungeduld. »Bitte beleidige nicht meine Intelligenz, indem du dieses sinnlose Argument nochmals aufgreifst.«
    »Irgendwie hat das Agozyen deinen Geist vergiftet.«
    »Das Agozyen hat nichts dergleichen getan. Es hat meinen Geist
befreit
. Hat ihn sauber gewischt von infantilen und engstirnigen Moralvorstellungen.«
    »Das Agozyen ist ein Werkzeug des Teufels. Die Mönche wussten das.«
    »Du meinst, die Mönche, die so ängstlich waren, dass sie selber das Agozyen nicht anschauen?«
    »Ja, und sie sind klüger als du. Offenbar hat das Agozyen die Kraft, alles, was in denen, die es betrachten, gut und gütig und bescheiden ist, auszulöschen. Schau, was es mit Blackburn angestellt hat; er hat gemordet, um es zu bekommen. Sieh, was es jetzt mit dir macht.«
    Pendergast reagierte verächtlich. »Das Agozyen zerstört einen schwächeren Geist, aber stärkt den stärkeren. Du brauchst dir nur dieses Zimmermädchen oder auch Captain Mason vor Augen zu halten.«
    »
Wie bitte?
«
    »Wirklich, Constance, du enttäuschst mich. Natürlich hat Mason das Agozyen angeschaut – welche andere Erklärung sollte es sonst für ihr Verhalten geben? Wie, das weiß ich

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