Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
sofort ins Auge. Keine Auslegeware, keine Kunst an den Wänden, keine Wandverkleidungen oder irgendwelche Verzierungen. Das Ganze ähnelte eher einem Krankenhausflur, einem klaustrophobischen Ensemble aus Metall und Linoleum. Neonröhren, verborgen hinter Deckenpaneelen, spendeten ein harsches Licht. Die Luft war stickig und unangenehm warm, überladen mit zahlreichen Gerüchen: gekochter Fisch, Weichspüler, Maschinenöl. Das tiefe Brummen der Dieselmotoren war hier viel deutlicher zu hören. Crewmitglieder, manche in Uniform, andere mit T-Shirts oder schmuddeligen Sweatshirts bekleidet, eilten geschäftig vorbei.
Marya ging voran über den schmalen Flur. Zu beiden Seiten erstreckten sich numerierte, fensterlose Türen aus furniertem Holz. »Das ist Deck für Besatzung«, erklärte Marya mit leiser Stimme. »Frauen in meinem Zimmer arbeiten in großen Kabinen, Sie am besten sprechen mit ihnen. Wir sagen, Sie Freundin, die ich in der Wäscherei getroffen habe. Nicht vergessen, Sie Deutsche und Englisch nicht gut.«
»Ich werd’s mir merken.«
»Wir brauchen Grund, warum Sie herumfragen.«
Constance überlegte kurz. »Und wenn ich sage, ich reinige die kleineren Kabinen und möchte vorankommen?«
»Okay. Aber nicht zu eifrig sein – Leute hier würden in Rücken stechen für Job mit besser Trinkgeld.«
»Verstehe.«
Marya bog in einen anderen Gang und blieb vor einer Tür stehen. »Das mein Zimmer«, sagte sie. »Fertig?«
Constance nickte. Marya holte tief Luft, dann öffnete sie die Tür.
Der Raum war klein wie eine Gefängniszelle, vielleicht vier mal drei Meter. An der gegenüberliegenden Wand standen sechs schmale Spinde. Es gab weder Stühle noch Tische, kein Bad. Die Wände links und rechts wurden vollständig von spartanischen Schlafkojen eingenommen, drei übereinander. Am Kopfende jedes Betts befand sich ein kleines Regal, darüber eine kleine Lampe. Als sich Constance umblickte, fiel ihr auf, dass jedes Regal voll mit Büchern, Fotos von Angehörigen, getrockneten Blumen, Zeitschriften war – ein kleiner, trauriger Spiegel der Person, die in dem Bett schlief.
»Hier drin schlafen
sechs
von euch?«, fragte sie ungläubig.
Marya nickte.
»Ich hatte keine Ahnung, dass die Räumlichkeiten so beengt sind.«
»Das hier ist noch gut. Deck E viel schlimmer, wo KPK -Personal schlafen.«
» KPK ?«
»Kein Passagierkontakt. Leute, die machen Wäsche, Maschinenräume reinigen, Essen vorbereiten.« Marya schüttelte den Kopf. »Wie Gefängnis. Kein Tageslicht, keine frische Luft, drei, vier Monate vielleicht. Arbeiten sechs Tage die Woche, zehn Stunden täglich. Bezahlung ist zwanzig bis vierzig Dollar am Tag.«
»Aber das ist weniger als der Mindestlohn!«
»Mindestlohn wo? Wir hier nirgendwo – mitten auf See. Keine Lohngesetze hier. Schiff in Liberia registriert.« Sie blickte sich um. »Meine Kolleginnen schon in Messe. Wir sie da finden.«
Marya nahm einen umständlichen Weg durch die schmalen, nach Schweiß riechenden Korridore, Constance folgte dichtauf. Die Personalkantine lag mittschiffs; ein großer Raum mit niedriger Decke. Die Besatzungsmitglieder saßen, alle in Uniform, die Köpfe über die Teller gebeugt, an langen Kantinentischen. Als sie sich in die Schlange vor dem Büfett einreihten, sah sich Constance um, schockiert, wie schmucklos der Raum war – so ganz anders als die opulenten Speisesäle und großen Salons für die Passagiere.
»Es ist so still hier«, sagte sie. »Warum reden die Leute nicht?«
»Alle müde. Außerdem alle wegen Juanita in Sorge. Zimmermädchen, das durchgedreht ist.«
»Durchgedreht? Was ist denn passiert?«
Marya schüttelte den Kopf. »Ist nicht ungewöhnlich, außer dass es normalerweise am Ende von lange Fahrt passiert. Juanita verrückt geworden … hat sich selbst Augen ausgekratzt.«
»Großer Gott. Hast du sie gekannt?«
»Ein bisschen.«
»Hatte sie denn irgendwelche Probleme?«
»Wir alle haben unsere Probleme«, sagte Marya ernst. »Ansonsten wir nehmen nicht diesen Job an.«
Sie stellten ihr Mittagessen aus einer wenig appetitlichen Auswahl zusammen: fettige Scheiben gekochtes Corned Beef, zerkochter Kohl, matschiger Reis, klebriger Hackauflauf mit Kartoffelpüree, anämisch aussehende Stücke gelblichen Blechkuchens; Marya ging voran zu einem Tisch in der Nähe, wo zwei ihrer Zimmergenossinnen lustlos auf ihren Tellern herumstocherten. Marya stellte sie einander vor: eine junge, dunkelhaarige Griechin namens Nika, und Lourdes,
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