Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
Tür, dann schaute er sich nach LeSeur um. »Kommen Sie nicht mit, Sir?«
»Doch«, sagte LeSeur widerwillig. Er hatte ein ganz schlechtes Gefühl in der Magengegend.
An Deck war es nasskalt. Kein Passagier war zu sehen – die wenigen abgehärteten Leute, die sich an die frische Luft wagten, suchten in der Regel die durchgehende Promenade auf Deck 7 auf, direkt über ihnen. Ein böiger Wind schleuderte die Gischt vom Bug hoch in die Luft, so dass LeSeurs Jacke binnen weniger Augenblicke klitschnass war.
Der Mann vom Sicherheitsdienst ging voran zur Reling. »Da unten«, sagte er und deutete über die Bordwand.
LeSeur stellte sich neben Kemper und Carol Mason an die Reling, blickte darüber hinweg auf das Wasser sieben Decks weiter unten. Die Wellen schäumten an der glatten Schiffswand entlang.
»Wohin schauen Sie?«, fragte Kemper.
»Dort, Sir. Ich hab’s gerade erst gesehen, als ich den Rumpf in Augenschein genommen habe. Erkennen Sie die Beschädigung der Zierleiste unterhalb der Fußreling, etwas links vom Speigatt?«
LeSeur hielt sich an der Reling fest und beugte sich weiter vor. Tatsächlich, an der Teak-Verzierung, die die Decksfuge verbarg, war ein etwa fünfzehn Zentimeter langer Kratzer zu erkennen.
»Sir, wenn die Beschädigung vorhanden war, bevor wir gestern ausgelaufen sind, hätte ich das bemerkt. Ganz bestimmt.«
»Er hat recht«, sagte der Stellvertretende Kapitän. »Das Schiff ist viel zu neu, als dass es derart beschädigt sein dürfte.« Sie sah genauer hin. »Und wenn ich mich nicht täusche, steckt da etwas in dem gesplitterten Bereich, es hat fast dieselbe Farbe wie das Holz.«
LeSeur spähte ebenfalls hin. Der Steuerbordrumpf lag zwar in tiefem nachmittäglichem Schatten, aber auch er glaubte, etwas zu erkennen.
Mason drehte sich um. »Versuchen Sie mal, das Ding zu bergen.«
Der Mann vom Sicherheitsdienst nickte, legte sich dann flach aufs Deck. Während LeSeur und Kemper ihn an den Füßen festhielten, schob er sich mit dem Kopf unter die Reling hindurch und langte nach unten. Gerade als LeSeur fand, er könne nicht noch nasser werden, rief der Mann: »Ich hab’s!«
Sie zogen ihn vom Deckrand zurück, er stand auf und hielt etwas schützend in der geballten Faust. Während sich die drei um ihn drängten, öffnete er langsam die Finger.
Auf seiner Handfläche lag ein kleiner Haufen feiner Fäden, verfilzt und durchweicht von der Gischt. LeSeur hörte, wie Mason der Atem stockte. Gleichzeitig wurde ihm klar, dass die Fäden an einem Ende mit etwas verbunden waren, das wie ein kleiner Hautfetzen aussah. Voll Entsetzen wurde ihm bewusst, dass das keine Fäden waren, sondern Haare – Menschenhaare, wenn ihn nicht alles täuschte, und platinblond.
»Mr Kemper«, sagte Mason leise und bedächtig. »Haben Sie das Foto der Vermissten bei sich?«
Kemper zog eine kleine Mappe aus der Tasche, schlug sie auf, zog das Foto heraus und reichte es dem Stellvertretenden Kapitän. Sie hielt es hoch, betrachtete es eingehend und blickte dann wieder auf die Haare auf der gewölbten Handfläche des Sicherheitsmannes.
»Scheiße«, murmelte sie.
[home]
22
Special Agent Pendergast trat aus seiner Suite, schloss die Tür und ging über den Flur. Weil er einen schicken schwarzen Smoking trug, entschlossen ausschritt und es acht Uhr abends war, sah es aus, als wolle er zum Dinner gehen.
Doch er hatte nicht vor, zu Abend zu essen, sondern wollte die Zeit nutzen, um etwas zu erledigen.
Vor den Fahrstühlen angekommen, drückte er den Knopf für Deck 13. Kurz darauf ging er eiligen Schrittes einen anderen Gang entlang in Richtung Vorschiff.
Die meisten Passagiere dinierten, saßen in den Casinos oder sahen sich eine Show an. Pendergast begegnete nur zwei Personen, einem Zimmermädchen und einem Kabinensteward. Am Ende bog der Gang erst nach rechts, dann nach links und mündete in den großen vorderen, quer verlaufenden Flur. Dieser war viel kürzer, und links von Pendergast gab es lediglich zwei Türen: Sie führten jeweils zu einer der royalen Luxussuiten.
Pendergast trat vor die erste Tür mit dem Schild
Richard II .- Suite
und klopfte an. Als ihm niemand öffnete, zog er eine elektromagnetische Karte aus seiner Herrentasche. Die Karte war mittels einer Ringelschnur mit seinem Palmtop verbunden, den er in der Tasche verbarg. Er schob die Ausweiskarte in den Kartenschlitz, betrachtete eine Anzeige auf dem winzigen Display und gab auf der Tastatur eine Reihe von Zahlen ein. Man hörte ein
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