Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
gar nicht wundern, wenn dieselbe Person für
alle vier
Greueltaten verantwortlich wäre. Kurz und knapp: Die Indizien sprechen dafür, bislang jedenfalls, dass sich ein Serienmörder an Bord befindet.«
»Mr Pendergast …«, begann Kemper zu widersprechen.
Pendergast hob die Hand. »Lassen Sie mich zu Ende sprechen, bitte. Ein Serienmörder ist an Bord – der seine Taten steigert. Er hat sich damit begnügt, die ersten beiden Opfer über Bord zu werfen. Aber das hier – nein. Das hier war sehr viel dramatischer – und passt, ehrlich gesagt, viel besser zu dem vorhergehenden Mordfall, in dem ich ermittle. Warum? Das bleibt abzuwarten.«
Wieder Schweigen.
»Wie Sie richtig angemerkt haben, besaß der Mörder einen Schlüssel zur Garderobentür. Aber lassen Sie sich nicht zu der Annahme verleiten, dass es sich bei dem Mörder um ein Besatzungsmitglied handelt.«
»Wer hat behauptet, es handle sich um ein Crewmitglied?«, begann Kemper.
Pendergast winkte ab. »Mr Kemper, entspannen Sie sich. Wenn ich das richtig sehe, ist der Mörder tatsächlich kein Besatzungsmitglied. Möglicherweise hat er sich jedoch als solches verkleidet, und vielleicht ist es ihm auch gelungen, eine Ausweiskarte für die öffentlich nicht zugänglichen Bereiche an sich zu bringen. Als Arbeitshypothese würde ich vorschlagen, dass Willa Berkshire mit dem Versprechen hinter die Bühne gelockt wurde, dort Braddock Wiley zu treffen. Was bedeutet, dass ihr Mörder wie jemand gekleidet war, der an Bord etwas zu sagen hat.«
Er wandte sich an den Commodore. »Wo sind wir, wenn Sie mir die Frage verzeihen?«
Der Commodore starrte ihn ebenfalls an, dann drehte er sich zu Kemper um. »Wollen Sie zulassen, dass dieser …
Passagier
die Sicherheitsabteilung dieses Schiffes übernimmt?« Seine Stimme klang hart wie Stahl.
»Nein, Sir. Aber ich würde respektvoll raten, dass wir seine Hilfe annehmen. Er hat uns … schon einmal unterstützt.«
»Sie sind mit dem Mann
bekannt
und haben seine Dienste in Anspruch genommen?«
»Ja, Sir.«
»In welchem Zusammenhang?«
»Im Casino«, sagte Kemper. »Er hat uns im Umgang mit den Kartenzählern assistiert.« Dass Pendergast dabei über eine Viertelmillion Pfund eingestrichen hatte – Geld, das noch wiederbeschafft werden musste – ließ er unerwähnt.
Der Commodore winkte angewidert ab, so, als wollte er mit der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu tun haben. »Also gut, Mr Kemper. Sie wissen, als Kapitän dieses Schiffes befasse ich mich nicht mit den nicht-seemännischen Angelegenheiten.« Er ging mit langen Schritten zur Tür, blickte zurück. »Ich warne Sie, Kemper: Die Sache ruht auf Ihren Schultern. Ausschließlich Ihren.« Und damit drehte er sich um und verschwand.
Pendergast blickte zu Mason. »Darf ich fragen, was die derzeitige Position der
Britannia
ist? In Bezug auf das nächstgelegene Festland?«
»Wir befinden uns rund eintausendzweihundert Kilometer östlich vom Flämischen Kap, eintausendachthundert Kilometer nordöstlich von St. John’s, Neufundland.«
»St. John’s ist der nächstgelegene Hafen?«
»Das ist er jetzt«, antwortete Mason. »Vor einigen Stunden wäre es Galway Harbour in Irland gewesen. Wir befinden uns auf halber Strecke der Überfahrt.«
»Schade«, murmelte Pendergast.
»Wieso?«, fragte der Stellvertretende Kapitän.
»Weil ich davon überzeugt bin, dass der Mörder wieder zuschlagen wird. Und zwar bald.«
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35
Gavin Bruce, Vorstandsvorsitzender der
Aberdeen Bank and Trust Ltd
dachte ziemlich grimmig, dass er eigentlich doch viel Erfahrung damit hatte, scheinbar unlösbare Situationen in den Griff zu bekommen und hart durchzugreifen. Im Laufe seiner Karriere hatte er nicht weniger als vier erfolglose Banken übernommen, auf Vordermann gebracht und den Turnaround geschafft. Davor hatte er als Offizier in der Navy Ihrer Majestät gedient, am Falklandkrieg teilgenommen, und diese Erfahrungen hatten ihm nur genützt. Aber noch nie hatte er vor einer Herausforderung gestanden, die so bizarr oder so furchterregend war wie diese.
Bruce reiste in Begleitung zweier anderer Manager von
Aberdeen Bank and Trust
– Niles Welch und Quentin Sharp. Beide waren sie ehemalige Navy-Angehörige wie er selbst. Er arbeitete schon seit Jahren mit ihnen zusammen und kannte sie als gute, solide Leute. Sie waren von einer Kundin, Emily Dahlberg, mit dieser Überfahrt beschenkt worden, als Belohnung für geleistete Dienste. Heutzutage schienen die meisten
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