Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
die Fähigkeit der Besatzung, ihn zu beherrschen, übersteigt.«
Mason hörte zu.
»Unter den Passagieren herrscht große Angst. Wie Sie vermutlich wissen, haben einige Leute damit angefangen, sich in ihren Kabinen einzuschließen. Es kursieren Gerüchte, wonach eine Art Jack the Ripper an Bord sei.«
»Dessen bin ich mir wohl bewusst.«
»Die Besatzung ist, falls Sie es noch nicht bemerkt haben, ebenfalls beunruhigt«, mischte sich Emily Dahlberg ein.
»Nochmals, uns sind diese Probleme bewusst, und wir ergreifen Maßnahmen, um der Lage Herr zu werden.«
»Ach ja?«, sagte Bruce. »Nun, also, Captain Mason, darf ich fragen, wo der Sicherheitsdienst des Schiffes steckt? Bislang ist er so gut wie unsichtbar.«
Mason hielt inne und blickte sie nacheinander an. »Ich will ganz offen mit Ihnen reden. Der Grund, warum Sie so wenige Sicherheitsleute sehen, ist, dass wir wenige, sehr wenige Sicherheitsleute an Bord haben – zumindest relativ zur Größe der
Britannia
. Wir tun unser Möglichstes, aber es ist ein sehr, sehr großes Schiff, und es befinden sich viertausenddreihundert Menschen an Bord. Unsere Sicherheitsmitarbeiter arbeiten rund um die Uhr.«
»Sie sagen, Sie tun alles, was Sie können – wieso ist das Schiff dann aber nicht umgekehrt? Wir sehen absolut keine andere Möglichkeit, als schnellstmöglich den nächsten Hafen anzulaufen.«
Daraufhin wirkte Captain Mason beunruhigt. »Der nächste Hafen ist St. John’s auf Neufundland, wenn wir also den Kurs ändern, müssten wir ihn anlaufen. Wir werden dennoch unseren Kurs beibehalten. Wir fahren weiter nach New York.«
Bruce war entsetzt. »Warum?«
»Befehl des Commodore. Er hat seine … wohlüberlegten Gründe.«
»Als da wären?«
»Momentan fahren wir am Rand eines großen Sturmsystems aus Nordnordost, dessen Zentrum sich über den
Grand Banks
befindet. Würden wir den Kurs nach St. John’s ändern, würden wir da mitten hinein geraten. Zweitens: Wenn wir vom Kurs abweichen, Richtung St. John’s, müssten wir außerdem den Labradorstrom durchqueren, jetzt, während der Eisbergsaison, was, obwohl ungefährlich, erfordern würde, dass wir unsere Geschwindigkeit deutlich drosselten. Schließlich würden wir durch die Kursänderung nur einen Tag gewinnen. Der Commodore ist der Ansicht, dass es angesichts – nun ja, angesichts der Polizeikräfte, die wir möglicherweise brauchen werden – angemessener ist, New York anzulaufen.«
»Ein Irrer ist an Bord«, sagte Emily Dahlberg. »Noch ein Mensch könnte an diesem einen Tag ermordet werden.«
»Gleichwohl, das ist der Befehl des Commodore.«
Bruce stand auf. »Dann bestehen wir darauf, direkt mit ihm zu sprechen.«
Captain Mason erhob sich ebenfalls, wobei sie für einen Moment die Maske der Professionalität fallen ließ, und Bruce erblickte ein Gesicht, das verhärmt, müde und unglücklich wirkte. »Der Commodore darf im Moment nicht gestört werden. Es tut mir sehr leid.«
Bruce sah sie wütend an. »Uns auch. Sie können versichert sein, dass diese Weigerung des Commodore, sich mit uns zu treffen, nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Jetzt
und
später. Mit uns ist nicht zu spaßen.«
Mason streckte die Hand aus. »Ich habe durchaus Verständnis für Ihren Standpunkt, Mr Bruce, und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dem Commodore Ihre Auffassung nahezubringen. Aber wir befinden uns auf einem Schiff auf See, wir haben einen Schiffskapitän, und dieser Kapitän hat seine Entscheidung getroffen. Als ehemaliger Angehöriger der Marine werden Sie sicherlich verstehen, was das bedeutet.«
Bruce ignorierte ihre ausgestreckte Hand. »Sie haben da etwas vergessen. Wir sind nicht nur Ihre Passagiere – und Ihre Kunden, sondern auch Ihre Schutzbefohlenen. Es kann etwas unternommen werden, und wir haben vor, es zu tun.« Und dann gab er seiner Gruppe ein Zeichen, ihm zu folgen, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
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36
Paul Bitterman trat aus dem Fahrstuhl, schwankte und hielt sich an dem polierten Chromgeländer fest. Die
Britannia
fuhr in schwerer See, aber das war nur ein Teil des Problems; Bitterman kämpfte mit der konzertierten Wirkung eines übermäßig gehaltvollen Dinners und neun Gläsern alten Champagners.
Immer noch die Hand am Geländer, blickte er den eleganten Gang auf Deck 9 rauf und runter und versuchte, sich zu orientieren. Er hob eine Hand an den Mund und produzierte bewusst einen Rülpser, der – ekelhaft – nach Kaviar,
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