Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
einmal.« Und damit eilte Hentoff über den Flur, als könnte er ihn gar nicht schnell genug verlassen.
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Am anderen Ende des Schiffes, sieben Decks weiter unten, verließ Emily Dahlberg das Café Soho nach einem leichten Frühstück mit Tee und Scones und begab sich zu einem der nahe gelegenen Einkaufskorridore, der sogenannten
Regent Street
. Sie zog diese exklusive Arkade der anderen,
St. James
auf Deck 6, vor. Der Gang war so eingerichtet worden, dass er aussah wie die echte Regent Street in London zur vorletzten Jahrhundertwende, und man hatte tatsächlich Erstaunliches geleistet: Straßenlaternen mit echten Gasdüsen, kopfsteingepflasterte Gassen mit kleinen, eleganten Modegeschäften. Sie war gerade rechtzeitig eingetroffen: Anders als die Casinos und Clubs, die rund um die Uhr geöffnet hatten, hatten die Geschäfte in der
Regent Street
normale Öffnungszeiten. Es war zehn Uhr, und die Läden machten gerade auf, die Lichter gingen an, die Gitter wurden vom Personal beiseitegezogen.
Zehn Uhr. Noch anderthalb Stunden, dann war es Zeit, sich mit Gavin Bruce zu treffen und den nächsten Schritt zu planen.
Dahlberg schlenderte am ersten Laden vorbei, betrachtete die Waren in den Auslagen. Sie kannte die echte Regent Street gut, aber die Geschäfte hier waren noch teurer als ihre realen Vorbilder. Stell dir vor, dachte sie, als sie in ein Schaufenster sah, du bezahlst eintausendeinhundert Pfund für ein ausgefallenes Cocktailkleid, das man selbst in London für ein Drittel des Preises bekam. Diese Ozeanriesen hatten etwas an sich, das die Vernunft aussetzen ließ.
Vage lächelnd schlenderte sie diese Imitation einer Einkaufsstraße hinunter und ließ ihre Gedanken schweifen. Merkwürdigerweise dachte sie, trotz all der Panik, Verwirrung und Angst, die über allem lag, an den eleganten Mr Pendergast. Sie hatte ihn seit dem First Night Dinner nicht mehr gesehen und war ihm nur einmal kurz im Casino begegnet, trotzdem kehrten ihre Gedanken immer wieder zu ihm zurück. Sie war dreiundfünfzig Jahre alt und hatte drei Ehemänner überlebt, jeder reicher als der vorige, aber sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie einen so faszinierenden Mann wie Aloysius Pendergast kennengelernt. Und am merkwürdigsten war, dass sie nicht einmal zu sagen vermochte, was diese Faszination ausmachte. Aber sie hatte es ja geahnt; gewusst vom ersten Augenblick an, als sie Blickkontakt aufnahm, seit den ersten honigsüßen Worten, die ihm über die Lippen kamen …
Sie blieb stehen, um ein paillettenbesetztes Jersey-Top von Cornelli zu bewundern, während sie sich diversen köstlichen und sinnlichen Vorstellungen hingab, ehe sie in die Gegenwart zurückkehrte. Ihre ersten beiden Ehemänner entstammten dem englischen Adel, Landadel mit viel Grundbesitz von der altmodischen Sorte, aber Emilys Tatkraft und Unabhängigkeit hatten beide Männer sich schließlich von ihr abwenden lassen. In ihrem dritten Mann, einem amerikanischen Fleischverarbeitungsbaron, hatte sie schließlich einen ebenbürtigen Partner gefunden – nur um mitzuerleben, wie er während eines besonders phantasievollen Beischlafs einen Schlaganfall erlitt und starb. Sie hatte gehofft, einen geeigneten vierten Mann auf der Kreuzfahrt zu finden – das Leben war kurz, und sie hatte eine Heidenangst, das Alter allein mit ihren Pferden zu verbringen; aber jetzt, bei diesem Aufruhr wegen dieses gruseligen Mordes, waren die Aussichten wirklich düster.
Wie auch immer. Wenn sie wieder in New York wäre, würde es das Fest im Guggenheim geben, die Party der Zeitschrift
Elle,
das Dinner im
Metropolitan Club
und viele andere Gelegenheiten, einen heiratsfähigen Mann kennenzulernen. Vielleicht, dachte sie, müsste sie ihre Ansprüche senken, aber nur ein wenig.
Andererseits, vielleicht auch nicht. Sie war sich beispielsweise sicher, dass sie bei Mr Pendergast ihre Ansprüche nicht herunterschrauben müsste. Zumindest so sicher, wie sie sein konnte, ohne den Mann auszuziehen.
Sie blickte hinüber zu der langsam dahinwogenden Menschenmenge. Sie war kleiner als üblich, zweifellos wegen des starken Seegangs, der vermissten Passagiere und des Mordfalls. Vielleicht hatten auch alle einen Kater – die Anzahl der harten Drinks, die am gestrigen Abend in den Restaurants, Clubs und Lounges konsumiert worden waren, hatte sie doch ziemlich erstaunt.
Sie näherte sich einem weiteren eleganten Geschäft, dem letzten in der Arkade, das gerade das Gitter öffnete. Sie stand da,
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