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Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten

Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten

Titel: Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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verbringst du bei deiner Mutter, du bist frei, kuschelst dich in die schützende Umarmung deiner Herde. Jeden Tag springst du auf den Wiesen umher, folgst deiner Mutter und deinen Geschwistern, und jeden Abend wirst du in die sichere Umzäunung der Scheune zurückgeführt. Du bist glücklich, weil du das Leben führst, das Gott für dich vorgesehen hat. Das ist die präzise Definition von Glück: Du fühlst keine Angst. Keinen Schrecken. Keinen Schmerz. Du weißt nicht einmal, dass es solche Dinge gibt. Dann kommt eines Tages ein Lastwagen – riesengroß, laut, fremdartig. Grob wirst du von deiner Mutter getrennt. Es ist eine furchterregende, beinahe unvorstellbare Erfahrung. Mit Viehtreiberstäben wirst du auf die Ladefläche des Lkws getrieben. Die Tür knallt zu. Drinnen stinkt es nach Kot und Angst. Es ist dunkel. Der Lastwagen fährt unter lautem Brummen an. Könnt ihr euch – versucht es jetzt gemeinsam mit mir – vorstellen, welch furchtbare Angst dieses hilflose, winzige Tier empfindet?«
    Esteban legte eine Pause ein und blickte sich um. Die Menge war verstummt.
    »Du blökst mitleiderregend nach deiner Mutter, aber sie kommt nicht. Du rufst und rufst, aber sie ist nicht da. Sie wird nicht kommen. Mehr noch … sie wird
niemals
wiederkommen.«
    Noch eine Pause.
    »Nach einer Fahrt, die du in völliger Dunkelheit verbringst, hält der Lastwagen. Alle Lämmer werden aus dem Lkw getrieben – nur du nicht. Dass ein Lammrücken aus dir wird, das ist nicht dein Schicksal. Nein, etwas viel Schlimmeres steht dir bevor. Der Lastwagen fährt weiter. Nun bist du mutterseelenallein. Du brichst im Dunkeln vor lauter Angst zusammen. Die Einsamkeit ist überwältigend, sie ist, in ganz realem Sinne,
körperlich
. Ein von der Herde getrenntes Lamm ist ein totes Lamm – immer. Und du fühlst es, du empfindest eine Angst, die stärker ist als der Tod. Wieder hält der Lastwagen an. Ein Mann steigt ein, legt dir eine stinkende, blutverkrustete Kette um den Hals. Du wirst herausgezerrt, hinein in einen finsteren, finsteren Ort. Es ist eine Kirche, zumindest eine Art von Kirche, aber natürlich weißt du das nicht. Die Kirche ist voller Menschen, und sie stinkt. In der Düsternis kannst du kaum etwas erkennen. Die Menschen kommen näher, sie stimmen einen Sprechgesang an und schlagen Trommeln. Merkwürdige Gesichter tauchen im Dunkeln auf. Du hörst Rufe, Zischen, das Aufstampfen von Füßen, vor deinem Gesicht werden Rasseln geschüttelt. Deine Angst kennt keine Grenzen. Du wirst an einen Pfahl geführt und daran festgebunden. Das Schlagen der Trommeln, das Aufstampfen der Füße, die stickige Luft – all das hüllt dich ein. Du blökst vor lauter Angst und rufst immer wieder nach deiner Mutter. Denn dies ist das Einzige, was du noch hast: Hoffnung. Die Hoffnung, dass deine Mutter kommen und dich von diesem Ort fortbringen wird. Eine Gestalt nähert sich. Es ist ein Mann, ein großer, hässlicher Mann, der eine Maske trägt und etwas Langes und Helles in der Hand hält. Er tritt auf dich zu. Du versuchst zu entkommen, aber als du zu fliehen versuchst, würgt dich die Kette an deinem Hals. Der Mann packt dich und wirft dich zu Boden, hält dich auf dem Rücken fest. Der Sprechgesang wird schneller, lauter. Du blökst und wehrst dich. Der Mann ergreift dein Nackenfell und reißt dich zurück, dadurch wird die zarte Unterseite deines Halses entblößt. Das helle, glänzende Etwas kommt näher, blitzt auf in dem trüben Licht. Du spürst, wie der Gegenstand gegen deine Kehle drückt …«
    Wieder hielt Esteban inne, damit Ruhe unter den Leuten einkehrte. »Ich werde euch nun alle bitten, nochmals die Augen zu schließen und einen längeren Versuch zu unternehmen, euch in dieses hilflose Lamm hineinzuversetzen.«
    Wieder Schweigen.
    »Das glänzende Ding drückt gegen deine Kehle. Du siehst eine plötzliche Bewegung, fühlst einen fürchterlichen zuckenden Schmerz – einen Schmerz, von dem du nicht einmal wusstest, dass er in der Welt existiert. Deine Atmung wird plötzlich von einer Flut heißen Blutes abgewürgt. Dein kleines, sanftes Bewusstsein kann auch nicht ansatzweise die Grausamkeit dieses Geschehens erfassen. Du versuchst, einen letzten, erbarmungsvollen Schrei nach deiner Mutter auszustoßen, nach deiner verlorenen Herde – den sonnigen grünen Weiden deiner Kindheit –, du schreist nach deinen toten Brüdern und Schwestern … Aber du bleibst stumm. Hörst nur ein Gurgeln von Luft durch Blut. Und jetzt

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