Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
berüchtigten x-förmigen Zementtürme, in ein grelles Sodiumlicht getaucht, hoben sich deutlich gegen den dunklen Himmel ab.
Pendergast erhöhte die Geschwindigkeit. Schnell ließ das Boot Manhattan hinter sich. Die Skyline von Midtown Manhattan wich immer weiter zurück, während er den East River in Richtung der Bucht von Long Island hinaufdonnerte. Jetzt, als er zwischen dem viktorianischen Leuchtturm Stepping Stones Light und City Island hindurchfuhr, bog Pendergast in die Bucht und gab Vollgas. Der Wind heulte vorbei, die Gischt wirbelte auf, das kleine Boot bretterte über die Wellen und schwankte von einer Seite zur anderen, während es den Sund hinaufraste und der Vollmond sich auf der großen Wasserfläche schimmernd spiegelte. Es war ein ruhiger Abend, nur ein paar Boote waren auf dem Wasser. Die Kanalbojen glänzten matt im Mondlicht.
Jede Minute zählte. Möglicherweise war er schon zu spät dran.
Als der Leuchtturm von Sands Point in Sicht kam, steuerte er das Boot Richtung Ufer, überquerte die breite Mündung von Glen Cove und steuerte geradewegs auf das Festland auf der anderen Seite zu, während er gleichzeitig den Blick auf die Villen am Ufer, die eine nach der anderen an ihm vorüberzogen, gerichtet hielt. Ein langer Anleger an einem bewaldeten Ufer kam in Sicht, und Pendergast steuerte darauf zu. Hinter der Anlegestelle lag eine dunkle, große Rasenfläche, die sich bis zu den Türmchen und Schindelgiebeln eines großen Anwesens hinauf erstreckte.
In beängstigendem Tempo steuerte Pendergast den Anleger an, schaltete die Motoren im letzten Moment in den Rückwärtsgang und wendete das Boot so, dass es mit dem Bug in den Sund zeigte. Noch bevor er das Boot gestoppt hatte, rammte er einen Fender zwischen Steuerrad und Gashebel, sprang vom Bug auf den Anleger und lief auf die dunkle, stille Villa zu. Das führerlose Boot, Gashebel im Vorwärts-Leerlauf, tuckerte vom Anleger fort und verschwand schon bald in den Weiten der Bucht von Long Island, während die roten und grünen Fahrtlichter allmählich in der Dunkelheit entschwanden.
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73
Captain Laura Hayward blickte wütend auf die zerschmetterte Tür, die in den dunklen Schlund des Ville führte, und hörte den Lärm des Chaos darin. Die Demonstration war professionell geplant worden. Ihre Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Das hier war kein bunt zusammengewürfelter Haufen, sondern eine Gruppe, die alles gut vorbereitet hatte und es ernst meinte. Chislett war hoffnungslos überwältigt und ausgetrickst worden. Fünf entscheidende Minuten lang, während der sich die Krawallmacher wie aus dem Nichts versammelt hatten, war er wie betäubt gewesen, hatte nichts getan, außer ohnmächtig staunend herumzustehen. Kostbare Minuten waren verstrichen, Minuten, in denen die Polizei zumindest das Vorrücken hätte verlangsamen oder einen Keil in die Spitze der Demonstration schieben können. Und als Chislett sich schließlich aufraffte, brüllte er mehrere widersprüchliche Befehle, die unter seinen Beamten nur noch mehr Verwirrung stifteten. Hayward konnte mehrere Polizisten in den vorgerückten Posten sehen, die die Angelegenheit jetzt in die eigene Hand nahmen und, mit Tränengas und Anti-Aufstand-Ausrüstung versehen, auf die Eingangstür des Ville zurannten. Aber es war zu spät: Die Demonstranten waren schon drin, was eine äußerst schwierige und komplizierte taktische Situation ergab.
Doch darüber konnte sich Hayward nicht den Kopf zerbrechen. Ihre Gedanken galten Pendergast und seinem Anruf. D’Agosta schwebe möglicherweise in Lebensgefahr, hatte er gesagt. Und Pendergast neigte nicht zu Übertreibungen.
Ihre Miene verfinsterte sich. Es war nicht das erste Mal, dass Vinnies Zusammenarbeit mit Pendergast in einem Desaster geendet hatte – für Vinnie natürlich. Pendergast schien jedes Mal ungeschoren davonzukommen. Wie auch jetzt, als er Vinnie sich selbst überließ.
Sie verdrängte ihren Ärger. Später war auch noch Zeit, Pendergast zur Rede zu stellen. Jetzt musste sie handeln.
Sie näherte sich dem Ville, wobei sie die Konfrontation, die in der Kirche stattfand, zu umgehen versuchte. Das Haupteingangstor stand weit offen, ein flackerndes Licht drang daraus hervor. Im Näherkommen sah sie, dass Polizisten ins Ville eindrangen, Schlagstöcke und Taser in den Händen. Die eigene Waffe gezückt, ging sie rasch hinter ihnen hinein. Hinter der zerschmetterten Tür lag eine uralte, schmale Gasse, die beidseits von schiefen
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