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Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten

Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten

Titel: Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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Licht auf die Satellitenkarte aus dem Internet und beschloss, sich nach Norden zu wenden. Sie verließ den Trampelpfad und schlug sich durch das spärliche Unterholz, fort vom Pfad.
    Das Gelände stieg hier steil an, vereinzelt ragte blanker Gneis aus dem Boden. Sie kraxelte den Hohlweg hinauf und hielt sich dabei an Büschen und kleinen Baumstämmen fest. Ihre Finger waren inzwischen ganz kalt, und sie bereute es, keine Handschuhe mitgenommen zu haben. Sie glitt auf einem glitschigen Felsbrocken aus. Fluchend rappelte sie sich auf, wischte die Blätter von der Kleidung, schlang die Handtasche wieder über die Schulter und horchte. Kein Zwitschern von Vögeln, kein Rascheln von Eichhörnchen, nur das leise Wispern des Windes. Die Luft roch nach modrigem Laub und feuchter Erde. Nach einem Augenblick kletterte sie weiter. In der Stille des Waldes fühlte sie sich zunehmend allein.
    Es war verrückt. Es wurde viel schneller dunkel, als sie gedacht hatte. Die Lichter Manhattans überstrahlten bereits das letzte Licht der Dämmerung und warfen einen unheimlichen Schein an den Himmel, die schwarzen Umrisse der halb entlaubten Bäume davor verliehen der Szenerie das Surreale eines Magritte-Gemäldes: oben hell, unten dunkel. Vor sich, ganz oben an dem Hohlweg, sah Nora die Gratlinie, dicht besetzt mit gespenstisch wirkenden Bäumen. Halb laufend, halb kletternd bewegte sie sich schnell darauf zu. Oben angekommen, blieb sie kurz stehen, um zu verschnaufen. Von Ost nach West verlief ein alter, rostiger Maschendrahtzaun, aber weil er aufgrund von Vernachlässigung schief und krumm war, fand sie schon bald einen losen Abschnitt und duckte sich mühelos darunter hindurch. Sie trat einige Schritte vor, bahnte sich einen Weg um eine Gruppe gewaltiger Felsbrocken herum – und blieb dann wieder abrupt stehen.
    Der Blick, der sich ihr darbot, war atemberaubend. Direkt vor ihren Füßen führte ein steiler Felshang in die Tiefe, bis hinunter zu dem Gezeitenbecken. Sie hatte die äußerste Spitze Manhattans erreicht. Ganz weit unten sah sie das dunkle Wasser des Harlem River, der westlich um Spuyten Duyvil herum in die breite Mündung des Hudson River floss. Der Hudson hatte in dem schwindenden Licht die Farbe von dunklem Stahl, eine riesige Wasserfläche, die unter einem zunehmenden Dreiviertelmond schimmerte. Jenseits des Hudson ragten hohe Klippen, die Jersey Palisades, dunkel vor dem letzten Licht des Sonnenuntergangs auf; in der mittleren Weite wölbte sich eine Schnellstraße, der Henry Hudson Parkway, auf einer elegant geschwungenen Brücke über den Harlem River und wies pfeilgerade Richtung Norden in die Bronx. Ein durchgehender Strom gelblicher Lichter floss über die Brücke: Pendler, die aus der Innenstadt nach Hause fuhren. Direkt gegenüber, am anderen Ufer lag Riverdale, das hier fast ebenso dicht bewaldet war wie der Inwood Hill Park selbst. Und in Richtung Osten, jenseits des Harlem River, lagen die dunstigen Ränder der Bronx, durchschnitten von einem Dutzend Brücken, hell erleuchtet von einer Million von Lichtern. Die Landschaft bildete ein verwirrendes, bizarres und großartiges Schauspiel geologischer Erhabenheit, ein Panorama des Urzeitlichen und des Kosmopolitischen, zusammengefügt mit äußerster Launenhaftigkeit im Laufe des jahrhundertealten Wachstums der Stadt.
    Aber Nora bewunderte den Ausblick nur kurz. Denn als sie wieder hinunterschaute, sah sie rund 400 Meter entfernt und 30 Meter unter sich – halb versteckt in einem dichten Gehölz – eine Gruppe ungepflegter Backsteingebäude, aus deren Fenstern hier und da ein schwacher gelblicher Lichtschein drang. Die Gebäude standen auf ebenem Gelände, auf halbem Weg zwischen einem mit Müll übersäten Kieselstrand entlang des Harlem River und ihrem eigenen Aussichtspunkt oben auf dem Grat. Von der Klippe, auf der sie stand, waren die Häuser nicht zu erreichen – ja, sie war sich nicht mal ganz sicher, wie die Häuser überhaupt zu erreichen waren; allerdings konnte sie zwischen den Bäumen ein Asphaltband erkennen, das vermutlich zur Indian Road führte. Und während sie dieses Bild betrachtete, wurde ihr klar, dass das Gehölz um sie herum die Gebäude des Ville aus fast jeder Richtung unsichtbar machte, vom Parkway aus, vom Flussufer, von den Klippen auf dem gegenüberliegenden Ufer. Mitten aus der Gruppe der Bauten erhob sich ein deutlich größeres Gebäude, offensichtlich eine Kirche, an die immer wieder unpassende Anbauten vorgenommen worden

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