Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
Lebensgefahr.«
»Ich habe Polizeischutz für sie beantragt«, sagte D’Agosta.
»Pah!«, höhnte Bertin.
»Ich habe ihr ein Feind-weiche-von-mir-Amulett gekauft«, sagte Pendergast.
»Das mag nützlich sein, um den
ersten
Feind abzuwehren, aber um den mache ich mir keine Sorgen. Doch solche Amulette sind nutzlos zur Abwehr von Angehörigen oder Verwandten – Ehemänner eingeschlossen.«
»Ich habe der Frau außerdem einen Zauberbeutel zusammengestellt und sie gedrängt, ihn bei sich zu tragen.«
Bertins Miene hellte sich auf. »Eine Mojo-Hand.
Très bien
. Sag mir, was enthält der Beutel?«
»Kräuteröl, getrocknete Wurzelknolle von Jalape, Eisenkraut und Wermut.«
D’Agosta traute seinen Ohren nicht. Er blickte von Pendergast zu Bertin und wieder zurück.
Bertin setzte sich zurück. »Diese Sache wird weitergehen, es sei denn, wir finden den Zauber-Doktor. Drehen den Spieß um.«
»Wir arbeiten momentan an der Ausstellung eines Durchsuchungsbeschlusses für das Ville. Und wir haben gestern mit einem städtischen Beamten wegen einer möglichen Zwangsräumung gesprochen.«
Bertin murmelte etwas vor sich hin, dann stieß er wieder eine Rauchfahne aus. D’Agosta hatte früher gern Zigarren geraucht, aber das waren normale, echt große Dinger gewesen. Der Rolls füllte sich mit einem ekelhaften, nach Hafer duftenden Qualm.
»Ich habe mal von einem Typen gehört«, sagte D’Agosta. »Der hat auch immer diese dünnen kleinen Stummel geraucht.«
Bertin sah ihn von der Seite an.
»Hat Krebs bekommen. Musste sich die Lippen entfernen lassen.«
»Wer braucht schon Lippen?«, fragte Bertin.
Er starrte D’Agosta aus seinen Knopfaugen an. D’Agosta öffnete das Fenster, verschränkte die Arme, setzte sich zurück und schloss die Augen.
Gerade als er kurz davor war, einzunicken, klingelte sein neues Handy. Er warf einen Blick darauf und las die SMS . »Der Antrag auf den Durchsuchungsbeschluss für das Ville ist soeben genehmigt worden«, sagte er zu Pendergast.
»Ausgezeichnet. Was dürfen wir durchsuchen?«
»Ziemlich wenig. Die öffentlichen Bereiche der Kirche selbst, den Altar und den Tabernakel – vorausgesetzt, dass es einen gibt –, aber weder die Sakristei noch die anderen nichtöffentlichen Bereiche oder die Nebengebäude.«
»Sehr gut. Das reicht, dass wir dort hineinkommen – und uns den Leuten dort vorstellen. Monsieur Bertin wird uns begleiten.«
»Und wie wollen wir das begründen?«
»Ich habe ihn als Sonderberater des FBI für diesen Fall engagiert.«
»Ja, klar.« D’Agosta fuhr sich durch das schüttere Haar, lehnte sich seufzend im Sitz zurück und schloss wieder die Augen, in der Hoffnung, ein kleines Nickerchen halten zu können. Es war unglaublich. Schlicht und ergreifend unglaublich.
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39
Nora schaute an die Decke ihres Schlafzimmers, ihr Blick wanderte hin und her entlang einem Riss im Verputz. Hin und her, hin und her folgte sie der geschlängelten Linie, so wie man den Zuflüssen eines Stroms auf einer Landkarte folgen würde. Sie erinnerte sich, dass Bill den Riss kitten und übermalen wollte, mit der Begründung, dass er ihn verrückt mache, wenn er einen Mittagsschlaf halten wolle – was er oft tat, da er ja seine unregelmäßigen Arbeitszeiten einhalten musste. Sie hatte geantwortet, es sei reine Verschwendung, Geld in eine Mietwohnung zu stecken, worauf er nie mehr auf das Thema zu sprechen kam.
Jetzt machte der Riss
sie
verrückt. Sie konnte einfach den Blick nicht davon lösen.
Mit einem jähen Ruck wandte sie sich ab und schaute aus dem offenen Fenster, das sich neben ihrem Bett befand. Durch die Sprossen der Feuerleiter sah man das Mietshaus auf der anderen Seite der Gasse, Tauben stolzierten auf dem hölzernen Wassertank auf dem Dach herum. Von der angrenzenden Hauptstraße drang Verkehrslärm – Hupen, das Tuckern eines Diesels, das Knirschen von Gängen – herauf. Ihre Glieder kamen ihr schwer vor, ihre Sinneswahrnehmungen unwirklich. Alles war irreal geworden. Die letzten 48 Stunden waren bizarr gewesen, obszön, unerträglich. Bills Leiche, verschwunden; Caitlyn tot, umgebracht von einem … Sie presste kurz die Lider aufeinander und verdrängte den Gedanken. Sie hatte es aufgegeben, zu versuchen, irgendetwas einen Sinn abzugewinnen.
Sie warf einen Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch, auf die rote LED -Anzeige: drei Uhr nachmittags. Es war idiotisch, mitten am Tag im Bett zu liegen.
Mit größtem Widerstreben setzte sie sich
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