Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
andere – es waren keine automatischen –, und die Schritte kehrten zum Wagen zurück. Der Motor drehte ein wenig höher. Langsam schob sich die Motorhaube des Rolls in die Garage, vorübergehend leuchteten die Scheinwerfer den Raum aus und blendeten ihn. Kurz darauf erlosch das Licht, der Motor erstarb, und es war wieder dunkel in der Garage.
Hudson blinzelte und wartete, bis sich seine Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnten. Er umfasste den Griff der Pistole, zog sie langsam hinter dem Gürtel hervor und löste vorsichtig den Sicherheitsriegel.
Er wartete, dass die Tür aufging und die Zielperson das Licht in der Garage einschaltete, aber nichts geschah. Pendergast wartete offenbar im Wagen. Worauf? Hudson spürte, wie sich der Herzschlag beschleunigte, und versuchte, seine Atmung zu kontrollieren, hellwach zu bleiben. Er hatte sich gut versteckt, denn er hatte die Schutzhülle des Autos so weit heruntergezogen, dass sie ganz bis zum Boden reichte, weshalb nicht einmal seine Schuhe zu sehen waren.
Vielleicht telefonierte Pendergast ja mit dem Handy, beendete gerade ein Telefonat. Oder er nutzte die seltene Gelegenheit, ruhig dazusitzen, wie es Leute mitunter taten, bevor sie aus dem Wagen ausstiegen.
Mit allergrößter Vorsicht hob Hudson ein klein wenig den Kopf und spähte über den Rand der Schutzhülle. Die verschwommenen Konturen des Rolls hoben sich im Dunkel ab, das einzige Geräusch war das Ticken des sich abkühlenden Motors. Es war nicht möglich zu erkennen, was sich hinter den getönten Scheiben befand.
Hudson wartete.
»Haben Sie einen Knopf verloren?«, erklang eine Stimme von rechts hinter ihm.
Hudson stieß einen Laut der Überraschung aus und sprang auf, wobei seine Hand instinktiv den Abzug der Pistole betätigte. Der Schuss erzeugte in dem engen Raum einen lauten Widerhall. Noch während Hudson versuchte, sich umzudrehen, wurde ihm die Waffe entwunden, und ein sehniger Arm schlang sich um seinen Hals. Hudson wurde herumgewirbelt und unsanft gegen das umhüllte Fahrzeug gestoßen.
»Im großen Spiel des Lebens«, sagte die Stimme, »ist man am Anfang ein Dummkopf und am Ende ein Schurke.«
Hudson zuckte nur matt mit den Schultern.
»Und wo, mein Freund, befinden Sie sich in diesem Spektrum?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, verdammt noch mal«, brachte Hudson schließlich mit krächzender Stimme hervor.
»Wenn Sie sich zusammenreißen, lasse ich Sie los. Und nun schön entspannen.«
Hudson hörte auf, sich zu wehren. Dabei spürte er, wie der Druck nachließ, seine Arme freigegeben wurden. Als er sich umdrehte, sah er sich seiner Zielperson gegenüber, diesem Pendergast: ein hochgewachsener, schwarzgekleideter Mann mit einem solch hellen Teint und derart hellem Haar, dass das Gesicht in der Dunkelheit zu leuchten schien wie ein Gespenst. Er hielt seine, Hudsons, Beretta in der Hand und zielte damit auf ihn. »Entschuldigen Sie, man hat uns noch nicht vorgestellt. Meine Name ist Pendergast.«
»Fick dich selber.«
»Ich habe das schon immer für eine seltsame Redewendung gehalten – die anatomischen Möglichkeiten scheinen mir begrenzt.« Pendergast musterte ihn von oben bis unten, dann steckte er sich die Beretta in den Hosenbund. »Wollen wir die Unterhaltung im Haus fortsetzen?«
Der Mann sah ihn konsterniert an.
»Bitte.« Pendergast machte ihm ein Zeichen, dass er vor ihm in Richtung der Seitentür gehen solle. Nach einem Moment kam Hudson der Aufforderung nach. Vielleicht bestand ja doch noch eine Möglichkeit, irgendwas aus der Sache rauszuziehen.
Er ging durch die offene Garagentür. Pendergast folgte dichtauf, überquerte die mit Kies bestreute Auffahrt und stieg die Stufen zum maroden Herrenhaus hinauf. Der Diener hielt die Haustür auf.
»Soll dieser Herr etwa ins Haus kommen?«, fragte er in einem Ton, der klarmachte, dass er es nicht hoffte.
»Nur für ein paar Minuten, Maurice. Wir wollen im Ostsalon ein Glas Sherry trinken.«
Pendergast bedeutete dem Mann, über den mittleren Flur in einen kleinen Wohnraum zu gehen. Im Kamin prasselte ein Feuer.
»Setzen Sie sich.«
Hudson setzte sich vorsichtig auf ein altes Ledersofa, Pendergast nahm ihm gegenüber Platz und blickte auf seine Armbanduhr. »Ich habe nur einige Minuten Zeit. Also noch einmal: Wie heißen Sie bitte?«
Hudson versuchte, sich zu sammeln und sich auf die plötzliche und unerwartete Wendung der Ereignisse einzustellen. Er konnte die ganze Sache immer noch erfolgreich über die Bühne
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