Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
sollten das Haus wirklich renovieren lassen. Sie könnten ein hübsches Sümmchen dafür bekommen – ein wirklich hübsches Sümmchen! Plantagenhäuser aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg sind derzeit groß in Mode. Man könnte es doch in eine charmante kleine Pension umwandeln!«
»Vielen Dank, Mr. Ogilby, aber ich werde das Haus noch eine Weile länger behalten, glaube ich.«
»Wie Sie wünschen, wie Sie wünschen! Aber halten Sie sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr draußen auf – Sie wissen schon, bei den vielen Familiengespenstern.« Ogilby ging mit langen Schritten davon, vor sich hin kichernd, die Aktentasche schwingend; bald war er verschwunden, so dass Pendergast allein an dem Familiengrab zurückblieb. Er hörte, wie der Mercedes gestartet wurde, hörte, wie das Knirschen auf dem Kies leiser wurde.
Er spazierte noch einige Minuten auf dem Friedhof umher und las dabei die Inschriften auf den Grabsteinen. Jeder Name weckte Erinnerungen, eine seltsamer und exzentrischer als die andere. Viele der sterblichen Überreste stammten von Familienangehörigen, die nach dem Brand aus den Ruinen der Kellerkrypta der Pendergastschen Villa in der Dauphine Street exhumiert worden waren; andere Vorfahren hatten den Wunsch geäußert, in ihrer alten Heimat die letzte Ruhe zu finden.
Das goldene Licht verblasste, die Sonne versank hinter den Bäumen. Langsam zogen aus Richtung des Mangrovensumpfs fahle Nebelschwaden über die Rasenfläche. Die Luft roch nach Grün, Moos und Farnkraut. Schweigend und reglos stand Pendergast lange auf dem Friedhof, während der Abend sich über das Land senkte. Der gelbliche Schein von Lampen, die in den Fenstern des Plantagenhauses angingen, fiel durch die Bäume des Arboretums. Der Geruch nach brennendem Eichenholz lag in der Luft; ein Geruch, der unweigerlich Erinnerungen an Kindheitssommer zurückbrachte. Als Pendergast aufblickte, sah er, dass aus einem der großen Backsteinschornsteine des Herrenhauses träge eine blaue Rauchfahne emporstieg. Er verließ den Friedhof, durchquerte den Baumgarten und gelangte zur überdachten Veranda, deren wellig verzogene Dielen unter seinen Schritten knarrten.
Er klopfte an, trat einen Schritt zurück und wartete. Ein Knarren von drinnen; das Geräusch langsamer Schritte; ein kompliziertes Entfernen von Riegeln und Ketten; dann endlich schwang die große Tür auf, und vor ihm stand ein gebeugter alter Mann von unbestimmbarer Rasse, gekleidet in eine uralte Butler-Uniform, mit ernstem Gesicht. »Master Aloysius«, sagte er höflich und zurückhaltend, ohne sogleich die Hand auszustrecken.
Pendergast streckte seine Hand aus, worauf der alte Mann einschlug. Die knorrige alte Hand wurde freundlich geschüttelt. »Maurice, wie geht es Ihnen?«
»Mittelprächtig«, antwortete der alte Mann. »Ich habe gesehen, wie die Wagen vorgefahren sind. Ein Glas Sherry in der Bibliothek, Sir?«
»Ja, das wäre schön, danke.«
Maurice wandte sich um und ging langsam durch die Eingangshalle in Richtung Bibliothek. Pendergast folgte ihm. Im Kamin prasselte ein Feuer, weniger um Wärme zu spenden, sondern um die Feuchtigkeit aus dem Zimmer zu vertreiben.
Unter Gläserklirren hantierte Maurice auf der Anrichte, schenkte ein kleines Sherry-Glas voll, stellte es auf ein silbernes Tablett und trug es höchst zeremoniell zu Pendergast hinüber. Der nahm das Glas, nippte daran und blickte sich dann um. Nichts hatte sich zum Guten verändert. Die Tapete war stockfleckig, in den Ecken lagen Staubflusen. Seit seinem letzten Besuch in Penumbra vor fünf Jahren war es mit dem Haus sichtlich bergab gegangen.
»Es wäre schön, wenn Sie mich einen Hausmeister einstellen ließen, der im Hause wohnt, Maurice. Und eine Köchin. Das würde Ihnen viel von Ihrer Last abnehmen.«
»Unsinn! Ich bin auch ohne fremde Hilfe in der Lage, mich um das Haus kümmern.«
»Ich bezweifle, dass Sie hier allein sicher sind.«
»Nicht sicher? Natürlich ist das Haus sicher. Nachts ist es immer gut verriegelt.«
»Gewiss.« Pendergast trank einen kleinen Schluck Sherry, ein ausgezeichneter trockener Oroloso. Ein wenig träge überlegte er, wie viele Flaschen in dem weitläufigen Keller wohl noch lagerten. Vermutlich sehr viel mehr, als er in seinem Leben trinken konnte, von dem Wein, dem Port und dem guten alten Cognac ganz zu schweigen. Im Laufe der Zeit waren die Seitenzweige seiner Familie ausgestorben, weswegen sich die verschiedenen Weinkeller – wie auch der Reichtum – bei
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