Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
Dengue-Fieber.« Rathe runzelte die Stirn. »Einen Augenblick mal … haben Sie Waffenträger gesagt?«
»Schade.« Pendergast verlagerte sein Gewicht auf dem Stuhl. »Und was ist mit unserem Fährtenleser? Jason Mfuni.«
»Hab den Namen nie gehört. Aber solche Aushilfskräfte kommen und gehen ja ständig. Also, was hat das alles zu bedeuten, von wegen Waffenträger? Wir hier im Kingazu-Camp veranstalten ausschließlich Fotoexpeditionen.«
»Wie gesagt, es war eine denkwürdige Safari.« Als er Pendergast das sagen hörte, lief es D’Agosta trotz aller Hitze kalt über den Rücken.
Rathe blieb ihnen eine Antwort schuldig. Stattdessen runzelte er nur weiter die Stirn.
»Haben Sie vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.« Pendergast erhob sich. D’Agosta desgleichen. »Wisleys Jagdcamp liegt in der Nähe der Victoria-Fälle, sagten Sie? Hat es auch einen Namen?«
»Ulani-Bach.« Rathe erhob sich ebenfalls. Sein ursprünglicher Argwohn war zurückgekehrt.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir uns einmal kurz im Camp umschauen?«
»Wie Sie wollen«, erwiderte Rathe. »Aber stören Sie die Gäste nicht.«
Vor dem Verwaltungsgebäude blieb Pendergast stehen und blickte nach rechts und links, so als wollte er sich orientieren. Er zögerte kurz. Dann aber folgte er wortlos einem ausgetretenen Pfad, der vom Camp fortführte. D’Agosta hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel, das Gebrumme der Insekten schwoll an. Auf der einen Seite des Trampelpfads befand sich ein dichtes Gehölz aus Büschen und Bäumen, auf der anderen der Luangwa-Fluss. D’Agosta spürte, wie ihm das unvertraute Khakihemd am Rücken und an den Schultern unangenehm klebte. »Wohin geht’s denn?«, ächzte er.
»Ins hohe Gras. Dort, wo …« Pendergast ließ den Rest unausgesprochen.
D’Agosta schluckte. »Gut, meinetwegen. Gehen Sie voran.«
Plötzlich blieb Pendergast stehen und drehte sich um. In seine Gesichtszüge war ein Ausdruck getreten, den D’Agosta noch nie gesehen hatte – eine Miene der Trauer, des Bedauerns und einer unergründlichen Müdigkeit. Er räusperte sich, dann sagte er leise: »Es tut mir sehr leid, Vincent, aber das hier muss ich allein tun.«
D’Agosta war erleichtert. »Versteh schon.«
Pendergast fixierte ihn kurz. Dann wandte er sich wieder um, verließ steifbeinig und entschlossen den Weg und betrat den Busch, wo er fast augenblicklich im Schatten unter den Bäumen verschwand.
11
Wie es schien, wussten alle ganz genau, wo Wisleys »Hof« zu finden war. Und zwar am Ende einer sehr gepflegten Sandpiste an einem sanft geschwungenen Hügel in den Wäldern nordwestlich der Victoria-Fälle. Während Pendergast den klapprigen Jeep unmittelbar vor der letzten Biegung zum Stehen brachte, glaubte D’Agosta, die Wasserfälle zu hören: ein leises, fernes Rauschen, mehr eine Empfindung als ein Geräusch.
Er blickte zu Pendergast hinüber. Auf der stundenlangen Fahrt vom Kingazu-Camp hierher hatte Pendergast höchstens ein halbes Dutzend Sätze gesprochen. D’Agosta hatte ihn fragen wollen, was er denn, wenn überhaupt, bei seinen Ermittlungen in dem hohen Gras gefunden hatte, aber jetzt war eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Wenn Pendergast so weit war, darüber zu sprechen, dann würde er es tun.
Pendergast steuerte den Wagen um die Kurve, und da kam das Haus in den Blick. Ein wunderschönes altes Kolonialhaus, weiß gestrichen, mit vier gedrungenen Säulen und einer umlaufenden Veranda. Die strengen Umrisse wurden durch prächtige, gepflegte Sträucher aufgelockert: Azaleen, Buchsbaum, Bougainvillea. Es schien, als sei das ganze Grundstück – vielleicht etwas über zwei Hektar groß – vollständig aus dem umgebenden Urwald herausgeschnitten worden. Der smaragdgrüne Rasen, der von mindestens einem halben Dutzend Blumenbeeten durchsetzt war, zog sich bis hinunter zu ihnen. Abgesehen vom fast fluoreszierenden Strahlen der Blumen hätte das Anwesen auch in den pittoresken Dörfern Greenwich oder Scarsdale nicht deplaziert gewirkt. D’Agosta meinte, auf der Veranda einige Personen zu sehen, aber aus dieser Entfernung ließ sich das nicht genau erkennen.
»Sieht so aus, als hätte der alte Wisley nicht schlecht verdient in seinem Leben.«
Pendergast nickte und blickte konzentriert zum Haus hinüber.
»Dieser Mann, Rathe, hat doch Wisleys Jungs erwähnt«, fuhr D’Agosta fort. »Was ist mit der Ehefrau? Meinen Sie, er ist
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