Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
wahrscheinlich sehr viel spannender, dachte er, als sich
Mord ist ihr Hobby
anzusehen.
D’Agosta steckte die Papiere in seine Aktentasche und wandte sich zum Gehen. »Nein, ich fürchte, die Spur ist zu kalt. Viel zu kalt. Aber trotzdem vielen Dank für Ihre Hilfe.«
21
Penumbra-Plantage
»Sind Sie sich da sicher, Vincent? Ganz sicher?«
D’Agosta nickte. »Ich habe das Hotel am Ort, das Houma House, überprüft. Nachdem Ihre Frau – unter dem Namen ihrer Katze – die Vögel im Oakley-Plantagenhaus studiert hatte, hat sie dort übernachtet. Diesmal hat sie ihren echten Namen angegeben; das Hotel hat vermutlich verlangt, dass sie sich ausweist, vor allem dann, wenn sie bar gezahlt haben sollte. Es gab keinen Grund für sie, dort zu übernachten, es sei denn, sie hatte vor, am nächsten Tag zum Plantagenhaus zurückzukehren, sich dort hineinzustehlen und die Vögel mitgehen zu lassen.« Er reichte Pendergast ein Blatt Papier. »Das stammt aus dem Besucherbuch.«
Pendergast überflog es. »Das ist die Handschrift meiner Frau.« Er legte das Blatt zur Seite; sein Gesicht glich einer Maske. »Und Sie sind sich sicher, was das Datum des Diebstahls betrifft?«
»Dreiundzwanzigster September, plus minus ein paar Tage.«
»Damit hätte der Diebstahl ungefähr ein halbes Jahr nachdem Helen und ich geheiratet haben, stattgefunden.«
In dem Wohnraum im ersten Stock breitete sich ein betretenes Schweigen aus. D’Agosta wandte den Blick von Pendergast ab und betrachtete unbehaglich das Zebrafell und die Tierköpfe an den Wänden, bis sein Blick schließlich auf den großen Waffenschrank mit den großkalibrigen Jagdgewehren mit den wunderschönen Ziselierungen fiel. Welche Büchse wohl Helen gehört hatte?
Maurice steckte den Kopf durch die Tür zum Salon. »Noch mehr Tee, meine Herren?«
D’Agosta schüttelte den Kopf. Maurice machte ihn ganz unruhig, ständig kreuzte der alte Diener unbemerkt in der Nähe auf, wie eine Mutter.
»Danke, Maurice, für den Moment haben wir alles«, sagte Pendergast.
»Wie Sie wünschen, Sir.«
»Was haben Sie denn herausgefunden?«, fragte D’Agosta.
Einen Augenblick gab Pendergast keine Antwort. Dann verschränkte er ganz langsam die Finger und legte die Hände auf die Oberschenkel. »Ich habe das Grand Hotel Bayou aufgesucht. Früher war in dem Gebäude das Meuse St. Claire-Sanatorium untergebracht, in dem Audubon das Schwarzgerahmte gemalt hat. Meine Frau ist ebenfalls dort gewesen und hat sich nach dem Gemälde erkundigt. Vermutlich ein paar Monate, nachdem sie mich kennenlernte. Auch ein Mann – ein Kunstsammler oder -händler, offenbar von zweifelhaftem Ruf – hat Erkundigungen nach dem Gemälde eingeholt, rund ein Jahr vor Helen.«
»Also waren auch andere Personen neugierig auf das Bild.«
»Sehr neugierig, wie es scheint. Außerdem ist es mir gelungen, im Keller des Sanatoriums einige Unterlagen von Interesse zu finden. In ihnen wird der Verlauf von Audubons Krankheit, seine Behandlung und dergleichen erörtert.« Pendergast streckte die Hand nach einer Leder-Aktenmappe aus, klappte sie auf und zog ein sehr altes Blatt Papier heraus, in einer Plastikhülle steckend, fleckig und gelb, die untere Hälfte vermodert. »Dies ist ein Bericht über Audubon, geschrieben von Dr. Arne Torgensson, seinem Arzt in dem Sanatorium. Ich lese Ihnen die relevanten Teile vor.«
Dem Patienten geht es schon viel besser, sowohl was seinen körperlichen als auch was seinen seelischen Zustand betrifft. Er kann inzwischen wieder gehen und hat die anderen Patienten mit Geschichten über seine Abenteuer im Grenzland zum Indianerterritorium unterhalten. In der vergangenen Woche ließ er sich Malfarben, einen Keilrahmen und Leinwand holen und fing an zu malen. Und was für ein Gemälde es geworden ist! Die Kraft der Pinselstriche, die außergewöhnliche Palette der Farben, das ist schon sehr erstaunlich. Es zeigt einen höchst ungewöhnlichen …
Pendergast legte das Blatt Papier in die Mappe zurück. »Wie Sie sehen, fehlt der entscheidende Abschnitt: die Beschreibung des Gemäldes. Niemand kennt das Sujet.«
D’Agosta trank einen Schluck Tee und wünschte, es wäre ein Bud. »Scheint mir sonnenklar zu sein: Das Gemälde hat einen Karolinasittich dargestellt.«
»Ihre Gründe, Vincent?«
»Ihre Frau hat die Vögel aus dem Oakley-Plantagenhaus gestohlen, um das Gemälde aufzuspüren – oder um es, was wahrscheinlicher ist, zu
identifizieren.
«
»Ihre Logik ist fehlerhaft. Warum
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