Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
einer strafbaren Handlung? Was es auch war, es gefiel ihm nicht.
»Ich bezweifle, dass Ihre Vorgesetzten Ihren Bestechungsversuch besonders wohlgesinnt betrachten würden«, sagte er. »Sie können Ihr Geld behalten.«
Pendergast wedelte die Antwort weg wie eine lästige Fliege. »Ich biete Ihnen ein Zuckerbrot an.« Er machte eine deutliche Pause, als verzichtete er ganz bewusst darauf, die andere Seite der Gleichung zu erwähnen.
Purview schrak zusammen. »Es gibt für alles ein rechtsstaatliches Verfahren, Agent, äh, Pendergast. Ich werde Ihnen helfen, sobald ich einen Gerichtsbeschluss sehe, der mich dazu auffordert – aber nicht vorher. Und Ihr Geld nehme ich nicht, so oder so.«
Einen Moment lang gab der FBI-Agent keine Antwort. Dann nahm er ganz leise seufzend – ob vor Bedauern oder Verärgerung, war nicht zu erkennen – das Geld vom Tisch und steckte es zurück in die Innentasche seiner schwarzen Anzugjacke. »Dann tut es mir leid für Sie«, sagte er leise. »Bitte hören Sie mir genau zu. Ich bin jemand, der in großer Zeitnot ist. Ich habe weder die Neigung noch die Geduld, mit Ihnen über Feinheiten des Rechts zu streiten. Sie haben sich als ehrlicher Mensch erwiesen. Gut für Sie. Wollen wir einmal herausfinden, wie … tapfer Sie sind? Gestatten Sie mir, Ihnen eines zu versichern: Sie werden mir die Unterlagen aushändigen. Die einzige Frage lautet: Wie viel Qualen müssen Sie erdulden, bevor Sie es tun?«
In seinem ganzen Erwachsenenleben hatte sich Thomas Purview von niemandem einschüchtern lassen. Und er hatte nicht vor, jetzt damit anzufangen. Er erhob sich vom Schreibtischstuhl. »Bitte gehen Sie jetzt, Agent Pendergast, oder ich rufe die Polizei.«
Aber Pendergast machte keinerlei Anstalten aufzustehen. »Die Dokumente betreffend das Lagerhaus, um das es geht, sind relativ alt«, sagte er. »Mindestens fünfundzwanzig Jahre alt. Sie sind digital nicht verfügbar – ich habe das überprüft. Sehr viele andere Informationen sind es jedoch. Sie kursieren gewissermaßen im virtuellen Äther, Mr. Purview – man muss nur die Hand danach ausstrecken und sie sich schnappen. Und ich habe eine Quelle, einen sehr talentierten Mann, der in solcherlei Zuschnappen außerordentlich begabt ist. Er hat mich mit einer anderen Adresse versorgt, über die wir, wie ich glaube, sprechen sollten. Neben der Adresse zwei-neun-neun Old Country Lane, meine ich. Es handelt sich um eine besonders interessante Adresse.«
Purview griff zum Hörer und wählte 911.
»Eins-zwei-neun Park Avenue South.«
Die Hand verharrte mitten in der Luft.
»Sehen Sie, Mr. Purview«, fuhr Pendergast fort, »im Internet stehen nicht nur Texte und Zeichen zur Verfügung, sondern auch Bilder. Zum Beispiel Bilder, die Sicherheitskameras aufgenommen haben – wenn man denn weiß, wie man Zugang zu ihnen bekommt.« Pendergast griff in seinen Anzug und zog ein Notizbuch hervor. »In den vergangenen Stunden hat meine, äh, Quelle einen Computerwurm durchs Rückenmark des Internets geschickt, der mit Hilfe von Mustererkennungs-Software nach Bildern von Ihrem Gesicht gesucht hat. Meine Quelle hat diese Bilder – unter anderem – auf den Überwachungskameras dieser Adresse gefunden.«
Purview blieb ganz still.
»Die Bilder zeigen Sie in Begleitung einer gewissen Felicia Lourdes, Apartment Vierzehn-A. Ein hübsches Mädchen, jung genug, um Ihre Tochter sein zu können. Und Sie haben mehrere. Töchter, meine ich. Richtig?«
Purview sagte nichts. Langsam legte er den Hörer wieder auf.
»Die Aufnahmen der Videoüberwachung zeigen Sie beide im Aufzug, in einer leidenschaftlichen Umarmung. Wie rührend. Und es gibt ziemlich viele solcher Aufnahmen. Das muss wahre Liebe sein – stimmt’s?«
Wieder Stille.
»Wie sagte Hart Crane noch einmal über die Liebe? Sie sei ›ein abgebranntes Streichholz, das in einem Pissoir herumschwimmt‹. Warum gehen Menschen so große Risiken ein?« Betrübt schüttelte Pendergast den Kopf. »Eins-zwei-neun Park Avenue South. Eine sehr gute Adresse. Ich frage mich, wieso Miss Lourdes sich dort eine Wohnung leisten kann. Angesichts ihrer Stellung als Anwaltsgehilfin, meine ich.« Er machte eine Pause. »Die Person, für die diese Adresse von besonderem Interesse ist, ist natürlich Ihre Frau.«
Immer noch Schweigen.
»Ich bin verzweifelt, Mr. Purview. Ich werde nicht zögern, in dieser Angelegenheit sofort zu handeln, wenn Sie nicht mitspielen. In dem Fall werde ich sogar gezwungen sein – in der
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