Pendragon - Der Anfang
euch verabschiedet hatte, stieg ich zu Onkel Press und Loor, meiner Freundin und Partnerin bei dem Abenteuer in Denduron, in den Wagen. Wenigstens betrachtete ich Loor als mei ne Freundin. In Dendu ron sind wir gemeinsam durch die Hölle gegangen, und obwohl ich kein Krieger bin wie sie, glaube ich, dass sie mich mittlerweile respektiert. Hoffe ich wenigstens.
Ich quetschte mich also auf den Notsitz hinten im Porsche. Onkel Press war der Fah rer, und da Loor größer ist als ich, hät te sie hinten kei nes falls genug Platz gehabt. Zwar war sie angezogen, als lebte sie auf der Zwei ten Erde, doch sie un terschied sich erheblich von allen mei nen Klassen kameraden. Ich glaube, sie war ungefähr sech zehn, sah mit ih rem schlan ken, durchtrai nierten Körper aber aus, als würde sie bei den Olympischen Spielen starten. Mit ihrer dunk len Haut hätte sie aus Af rika stam men kön nen, ich wusste es jedoch besser: Sie war eine Kriegerin aus dem Territorium Zadaa,
das von unserer Welt durch Zeit und Raum getrennt ist. Höchstwahrscheinlich darf man nur an den Olympischen Spielen teilnehmen, wenn man hier auf dieser Welt geboren ist, also schied sie von vornherein aus.
»Bequem?«, fragte Onkel Press.
»Kein bisschen«, antwortete ich.
Lachend trat er aufs Gaspedal, und wieder einmal verließen wir meine Heimatstadt Stony Brook, Connecticut, mit quietschenden Reifen. Wohin wir fuhren, wusste ich schon. Wir steuerten auf den verlassenen U-Bahnhof in der Bronx zu, wo sich das Tor zu dem Flume befand, durch das wir reisen würden – Endstation unbekannt.
Zuletzt hatte ich diesen Weg als Beifahrer auf Onkel Press’ Motorrad zurückgelegt und keine Ahnung gehabt, was mir bevorstand. Diesmal hatte ich eine Ahnung, aber nicht mehr …
Wir rasten über die Autobahn, ließen Connecticut hinter uns und fuhren in Richtung New York. Nach einer halben Stunde hatten wir die grünen Vorstadtgärten von Stony Brook gegen die Betonklötze im New Yorker Stadtteil Bronx eingetauscht. In der Bronx gibt es das Yankee-Stadion, den Bronx-Zoo und den Botanischen Garten – und ein geheimes Flume für Reisende ins Nirgendwo.
Als Onkel Press den kleinen Sportwagen durch die Straßen lenkte, drehten sich die Leute um und starrten uns nach. Die Bronx ist ein raues Viertel, in dieser Gegend sieht man sonst keine schi cken Sportflit zer. Vielleicht starrten sie auch bloß den Jungen auf dem Notsitz an, der allmählich blau anlief, weil seine Knie ihm die Kehle abdrückten.
Nach einer letzten Kurve parkte Onkel Press wieder vor dem kleinen grünen Kiosk, der unser Ziel war. Als ich das kleine Bauwerk und das da rü ber hängende Schild mit der abblättern den Farbe musterte, auf dem Subway stand, hatte ich nur einen einzigen Gedanken.
Nicht schon wieder!
Ich hatte nicht da mit gerechnet, diesen Ort so bald wiederzusehen. Ganz im Gegenteil, ich hatte erwartet, ihn nie wiederzusehen. Erst vor wenigen Stunden waren Onkel Press und ich hier nach der Rückkehr aus Denduron angekommen. Ich hatte geglaubt, endlich nach Hause zurückkehren und alles, was pas siert war, schnellstens vergessen zu können. Doch es kam anders. Ich musste feststellen, dass meine Familie verschwunden war, und mit ihr mein altes Leben. Vermutlich hatte Onkel Press mich nach Stony Brook zurückgebracht, damit ich es mit eigenen Augen sehen konnte. Ein kluger Schachzug, denn sonst hätte ich ihm nie geglaubt. Ich hätte fortwährend darüber nachgedacht, wie ich möglichst bald zu rück nach Hause gelangen könnte. Jetzt gab es aber keine Familie mehr, zu der ich heim kehren konnte. Die kalte, harte Realität traf mich wie ein Schlag: Es war mei ne Bestimmung, mit Onkel Press zu gehen und mehr über das Leben eines Reisenden zu lernen. Wie viel sich doch innerhalb weniger Stunden ändern kann.
Da waren wir also wieder, zurück in der Bronx, und ich stand ein weiteres Mal vor meinem neuen Leben. Fast hätte ich geheult. Ja, ich gebe es zu, am liebsten wäre ich in Tränen ausgebrochen. Wäre Loor nicht dabei gewesen, hätte ich es sicher auch getan.
Onkel Press sprang aus dem Wagen und ließ den Schlüssel im Zündschloss stecken. Loor und ich krochen ihm hinterher. Eigentlich war ich es, der kroch. Auf dem Notsitz hatte ich so zusammengequetscht gehockt, dass mei ne Beine eingeschlafen waren, und ich fiel hin, als ich aus dem Wa gen aus zusteigen versuchte. Loor fing mich auf und stützte mich, bis ich meine Beine wieder spüren konnte. Ganz schön peinlich.
Unterdessen
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