Pendragon - Der Anfang
die Hände vor die Augen hielt. Loor war vor dem gleißenden Hintergrund nur noch als dunkler Umriss zu erkennen. Sie warf uns einen letzten Blick zu und winkte zum Abschied. Dann wurde sie von einem grellen Blitz erfasst, und der Tunnel trug sie davon. Licht und Musik brachten sie in ihre Heimat, das Territorium Zadaa.
Kurze Zeit später war der gan ze Spuk vorbei, und der Tun nel verdunkelte sich wieder.
»Du bist dran«, sagte Onkel Press.
»Erzähl mir etwas über Cloral«, bat ich, um Zeit zu gewinnen. Eine Reise mit dem Flume war zwar ganz lustig, doch ich war ziemlich nervös, weil ich nicht wusste, was mich am anderen Ende erwartete. Ich brauchte ei nen Moment, um mich seelisch darauf vorzubereiten.
»Was du wissen musst, findest du heraus, wenn du dort bist«, antwortete er und schob mich auf den Tunneleingang zu. »Keine Angst, ich komme sofort nach.«
»Warum gibst du mir nie eine klare Antwort?«, wollte ich wissen.
»Ich dachte, du magst Überraschungen«, meinte er lachend.
»Nicht mehr! Kein bisschen!«, rief ich. On kel Press hatte mich früher immer mit tollen Geburtstagsgeschenken, Hubschrauberflügen, Campingtrips und allen möglichen Dingen überrascht, die sich ein Junge vom Lieblingsonkel nur wün schen konn te. Doch in letzter Zeit machten seine Überraschungen irgendwie gar keinen Spaß mehr. Vielleicht lag es daran, dass ich dabei von menschenfressenden Monstern verfolgt wurde, man auf mich schoss, mich lebendig begrub oder sonst etwas in der Art – ihr wisst schon, was ich meine.
»Komm schon, du verstehst wohl gar keinen Spaß mehr«, sagte er neckend und schubste mich in das Flume.
»Cloral!«, rief er und wich zu rück, als der Tun nel zum Leben erwachte. Ich schaute nicht in die Dunkelheit, weil ich wuss te, was auf mich zukam.
»Spaß?«, schrie ich zurück. »Wenn du denkst, das hier macht Spaß, hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank!«
»Ach, noch etwas, Bobby«, sagte er.
»Was?«
»Denk an die Kanonenkugel.«
»Welche Kanonenkugel?«, fragte ich. »Was meinst du damit?« Das Licht wurde heller, die Musik immer lauter. In wenigen Sekunden würde die Reise beginnen.
»Kurz bevor du in Cloral ankommst, solltest du die Luft anhalten.«
»Was?«
Ich sah noch, wie On kel Press lachte, dann hüllte mich das Licht ein und sog mich in den Tunnel. Es ging los.
Zweite Erde
W as macht ihr denn da?«, brüllte Mr. Dorrico, der Hausmeister der Stony Brook Junior High School. »Das ist doch keine Bibliothek, in der man in Ruhe sitzen und lesen kann! He, du bist ja ein Mädchen! Mädchen haben in den Jungentoiletten nichts zu suchen!«
Mr. Dorrico hatte beinahe die gesamten fünfzig Jahre seiner glorreichen Hausmeisterkarriere in Stony Brook verbracht. Seinen Adleraugen entging so gut wie nichts, und dies mal war es nicht anders. Tatsäch lich befand sich ein Mädchen in der Jungentoilette. Man moch te Mr. Dorrico nachsagen, dass er uralt und leicht verrückt wäre, aber noch war er in der Lage, Mädchen von Jungen zu unterscheiden. Meistens jedenfalls.
Courtney Chetwynde und Mark Dimond hatten auf dem Fußboden gesessen und in Bobbys erstem Journal aus Cloral gelesen. Wenn eines von Bobbys Tagebüchern eintraf, während Mark in der Schule war, zog er sich in die Toilette zurück, um es zu lesen. Da Courtney in die gan ze Sache eingeweiht war, hatte sie sich zu ihm gesellt. Die Tatsache, dass sie ein Mädchen war, spielte eigentlich keine Rolle, wenn man bedachte, wie wichtig die Tagebücher waren. Aber jetzt sahen sie sich einem wütenden Hausmeister gegenüber, der offensichtlich bei der Vorstellung, dass sich ein Mädchen in der Jungentoilette aufhielt, einem Herzinfarkt nahe war.
Mark sprang auf und riss die Sei ten mit Bobbys Bericht an sich. »Sch…schon g…gut«, stot terte er nervös. »W...wir verschwinden sofort.«
Sobald er unter Druck stand, stotterte Mark. Courtney dagegen lief in solchen Situationen zu Hoch form auf. Sie erhob sich langsam, ging auf Mr. Dorrico zu und sah ihm fest in die Augen.
»Der ein zige Grund, wa rum ich hierherge kom men bin«, erklärte sie vertraulich, »ist der, dass in der Mädchentoilette zu viele Jungen waren. Es wurde einfach zu eng, außerdem klappen sie nie die Klobrillen hoch.«
»Was?!«, brüllte Mr. Dorrico und wurde knallrot im Gesicht. Für ihn war das ganz klar ein Verstoß gegen Anstand und Moral, der die Grundfesten unserer Zivilisation zum Wanken brachte. Er griff nach dem Wischmopp, mit dem er die Toilette
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