Pendragon - Der Anfang
eilte Onkel Press ungerührt auf die U-Bahntreppe zu.
»He, Onkel Press!«, rief ich. »Bist du sicher, dass du den Wagen
einfach stehen lassen willst?« Ich dachte an unsere erste Fahrt hierher. Wir hatten das Motorrad und die Helme genau an der Stelle zurückgelassen, an der jetzt der Porsche stand. Zu meiner Verblüffung war bei unserer Rück kehr alles unversehrt an seinem Platz gewesen, sogar die Helme. Unglaublich. Pures Glück. Aber jetzt ging Onkel Press zu weit. Ein teurer Sportwagen mit Schlüssel im Zündschloss war eine zu große Versuchung. Außerdem stand er im Park verbot. Soll te der Porsche nicht von Dieben gestoh len werden, würde die Polizei ihn auf jeden Fall abschleppen.
Onkel Press antwortete: »Ist schon gut. Die Akoluthen werden sich darum kümmern.«
Akoluthen? Schon wieder etwas Neues. Ich sah Loor fragend an, doch sie zuckte die Achseln. Noch ehe ich den Mund auf machen konnte, verschwand Onkel Press im Bahnhof.
Ich wandte mich an Loor: »Alles klar – wir erfahren im Laufe der Zeit, worum es geht.«
»Stell nicht so viele Fragen, Pendragon«, sagte sie. »Spar sie dir für einen Moment auf, wenn es wirklich wichtig ist.« Dann folgte sie Onkel Press.
Wirklich wichtig? War nicht alles an diesem bizarren Abenteuer wirk lich wichtig? Aber da ich mir ganz allein auf dem Bürgersteig ziemlich dumm vorkam, folgte ich den beiden. Das konnte ich sowieso am besten.
Ich lief die schmut zigen Stufen hi nab und quetschte mich durch die schmale Öffnung in der Bretterwand, die den Eingang zum U-Bahnhof versperrte. Für den Rest der Welt befand sich hier bloß eine stillgelegte U-Bahn-Station, für uns Reisende war es der Zugang zur Zweiten Erde, mei nem Hei matterritorium, und unser Sprungbrett zu allen anderen fernen Welten. Hört sich romantisch an, nicht wahr? Ist es aber nicht. Es ist unheimlich.
Der heruntergekom mene Bahn hof war mir mitt lerwei le vertraut.
Immer wieder rasten U-Bahnen hindurch, aber es war lange her, dass sie an die sem gott verlassenen Ort gehalten hatten. Als ich den Bahnsteig betrat, sah ich etwas, das eine schreckliche Erinnerung in mir wachrief: die Säule, hinter der On kel Press bei seiner Schießerei mit Saint Dane in Deckung gegangen war. Der Kampf der beiden hat te mir Zeit gegeben, zu fliehen und das Tor zum Flume zu entdecken, das mich nach Denduron gebracht hatte.
Saint Dane. Ihn würde ich nur zu gerne vergessen. On kel Press behauptet, er wäre ein Reisender wie wir. Aber er ist nicht wirklich wie wir, denn er ist abgrundtief schlecht. In Denduron brachte er zwei verfeindete Stämme beinahe dazu, sich gegenseitig zu vernichten – bis wir uns einmischten und ihm einen dicken Strich durch die Rechnung machten.
Leider war Dendu ron nur der An fang. Saint Dane will in jedem Territorium für Chaos sorgen, um die Alleinherrschaft über Halla zu erringen. Und Halla ist total wichtig. Onkel Press hat Halla folgendermaßen beschrieben: »Es ist jedes Territorium, jeder Mensch, jedes Lebewesen und jede Zeit, die es jemals gab.« Man muss kein Genie sein, um einzusehen, dass es nicht so ideal wäre, wenn jemand wie Saint Dane darüber herrschen würde.
Das Schrecklichste an der gan zen Angelegenheit ist, dass Saint Dane die Menschen gerne leiden sieht. Das habe ich nun schon viel zu oft erleben müssen. Zum ersten Mal hier, auf diesem stillgelegten Bahn steig. Saint Dane hypnotisierte ei nen Obdach losen, bis der arme Kerl ei nem grauenvollen Tod entgegensprang, indem er sich vor eine vorbeifahrende U-Bahn warf. Es war ein kaltblütiger Trick, der dem Jun gen, wie Saint Dane sag te, ei nen Eindruck von dem vermitteln sollte, was ihn erwartete.
Der Junge, von dem er sprach, bin ich. Ich habe euch schon geschrieben, dass die Angst vor dem Unbekannten das Schlimmste für mich ist. Na ja, also so ganz stimmt das nicht. An der Spitze
meiner Angst-Top-Ten steht die Gewissheit, dass wir Saint Dane irgendwann, irgendwo wiedersehen werden. Der Kerl ist gemeingefährlich, und es ist unsere Aufgabe, ihn aufzuhalten. Während ich auf dem Bahnsteig stand, wünschte ich mir sehnlichst eine andere Aufgabe.
»Pendragon!«, rief Loor.
Ich folgte dem Klang ihrer Stimme bis zum Ende des Bahnsteigs. Den Weg kannte ich. Wir mussten auf die Schienen hinunterklettern und darauf achten, nicht aus Versehen auf die Schiene zu treten, die unter Strom stand und Holz kohle aus uns gemacht hätte. Dann mussten wir uns an der schmutzigen, ölverschmierten Wand ent langtasten, bis wir
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