Pendragon - Der Anfang
Ich konnte ihn hören, obwohl wir unter Wasser waren und unsere Köpfe in festen Plastikmasken steckten. Seine Stimme klang hoch und dünn, als hätte man bei einer Stereoanlage die Bässe auf null und die Hö hen auf zehn gestellt, aber ich hörte ihn klar und deutlich, als wären wir an der Oberfläche.
»Vertrau mir, Bobby«, sagte er. »Schau mich an. Ich atme. Es funktioniert.«
Ich wollte ihm vertrauen. Andererseits wollte ich aber auch auftauchen und richtige Luft einatmen. Allmählich schmerzte meine Lunge. Ich hatte keine Wahl, ich muss te atmen. Vorsichtig ließ ich den kläglichen Rest Luft aus meinen Lungenflügeln entweichen und atmete langsam ein. Es funktionierte. Ich hatte keine Ahnung, wieso, aber die kleine Harmonika ließ mich tatsächlich atmen. Es war besser als beim Sporttauchen, denn man musste nicht auf ein Mundstück oder ei nen Schlauch achten. Und weil kein Mundstück da war, konnte ich reden. Wir konnten uns unter Wasser unterhalten!
»Schon besser«, lobte Onkel Press. »Alles in Ordnung?«
»Ja«, antwortete ich. »Wieso können wir reden?«
»Das liegt am Beatmer«, erklärte er und tippte auf das silberne Ding an seiner Maske. »Er überträgt auch Schallwellen. Cool, was?«
Cool war genau das richtige Wort.
»Los jetzt«, meinte Onkel Press.
Mit einem Ruck schwamm er davon und ließ einen Strom Luftbläschen zurück, die durch den Beatmer entwichen. Jetzt, da ich mich an das Ganze gewöhnt hatte, warf ich zur Orientierung einen schnellen Blick in die Runde. Der See, in den wir geflumt worden waren, entpuppte sich als Öffnung zu einem Tunnel, der unter einer überhängenden Felsnase verlief. Onkel Press
schwamm langsam auf ei nen Lichtstreifen zu, der in etwa dreißig Metern Entfernung das Ende der Felsendecke markierte, genau wie er gesagt hatte. Ich sah, dass die Decke hinter mir nach wenigen Metern an ei ner zerklüfteten Felswand endete. Ein ziem lich abgelegener Ort, um ein Tor zu verstecken. Doch wahrscheinlich war das Absicht. Alle Tore befanden sich an abgeschiedenen Orten, damit sie nicht versehentlich von ganz gewöhnlichen Bewohnern der jeweiligen Territorien gefunden werden konnten.
Onkel Press hatte sich mitt lerweile schon ein Stück von mir entfernt, und da ich nicht allein hierbleiben wollte, schwamm ich ihm hin terher. Der Gürtel funktionierte ein fach fantastisch und hielt mich im Neutralgewicht. Ich schwamm perfekt geradeaus, ohne mir Sorgen machen zu müssen, mit dem Kopf an die Felsen zu stoßen. Genial. Hätte ich nicht so viel Angst gehabt, dass sich ein Quig an uns heranpirschen könnte, wäre das Ganze wirklich schön gewesen. Ich umklammerte die Harpune und sah nach rechts und links, um nach ir gendwelchen Feinden Ausschau zu halten. Das Wasser war unglaublich klar. Ich konnte ungefähr dreißig Meter weit sehen, was absolut ungewöhnlich ist. Wenn sich uns Quigs näherten, würden wir sie wenigstens schon von Weitem sehen, ehe sie uns verspeisten.
Onkel Press hielt an, als er zum Ende der Felsnase kam. Hier war die Decke niedriger, und der Abstand zum sandigen Boden betrug nur noch einen Meter fünfzig. Onkel Press schwamm ein paar Züge ins offene Wasser hinaus und deutete auf etwas. Als ich mich zu ihm gesellte, sah ich, dass er auf die Stelle zeigte, an der wir den Felsen verlassen hatten. Dort entdeckte ich in den Stein geritzt das bekannte Sternsymbol, das überall die Tore zu den Flumes kennzeichnete. Ich signalisierte Onkel Press »o. k.«, das Taucherzeichen dafür, dass man verstanden hat. Er erwiderte es lächelnd und sagte: »Wir können reden. Schon vergessen?«
Ach ja. Wir mussten uns nicht per Hand zeichen verständigen.
Hatte ich vergessen. Pure Gewohnheit, vermute ich. Als ich nach oben schaute, sah ich ei nen hoch auf ragenden Felsen. Darunter verbargen sich die Höhle und der Eingang zum Flume.
»Jetzt schau dich erst einmal um«, fügte er hinzu und deutete aufs offene Meer.
Ich drehte mich um, und mir bot sich der atem beraubendste Anblick, den ich je gesehen hatte. Hinter uns lag der weite blaugrüne Ozean. Der Sandboden wich ei nem Korallenriff, das sich wie ein bunter Teppich vor uns ausbreitete. Ich war sprachlos. Zwar hatte ich schon tropische Riffe, Fischschwärme und Korallen gesehen, aber nichts, was sich auch nur annähernd mit Cloral vergleichen ließ. Die Farben des Riffs leuchteten fast so stark wie die der Blumen in der Höhle, die wir gerade verlassen hatten. Strahlend blaue Farne so groß wie Regenschirme
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