Pendragon - Der Anfang
einen strengen Blick zu, der keinen Widerspruch duldete.
»Was steht in dem Brief?«, erkundigte er sich dann.
Spader gab ihm das Blatt Papier, und ich schaute Press über die Schulter. Es war gar kein richtiger Brief, sondern eine Zeichnung. Ich konnte ein kreisförmiges Symbol erkennen, das aus zwei ineinander verschlungenen Buchstaben bestand, die irgendwie asiatisch wirkten.
»Weißt du, was das bedeutet?«, fragte Onkel Press.
Spader schüttelte den Kopf. Onkel Press gab ihm den Zettel zurück und meinte: »Wenn dein Vater wollte, dass du das hier bekommst, ist es sicher von größter Bedeutung.«
Spader nickte, faltete das Blatt zusammen und steckte es in die Tasche. Sein Blick hatte sich verändert. Er stand nicht länger unter Schock.
»Ich werde herausfinden, was hier passiert ist«, sagte er mit fester Stimme.
»Gut, wir helfen dir«, antwortete Onkel Press.
Plötzlich hörten wir eilige Schritte auf dem Flur. Eine Gruppe Menschen näherte sich uns. Sekunden später betraten fünf Aquanier die Wohnung, angeführt von Wu Yenza. Sie sahen aus, als befänden sie sich auf dem Kriegspfad. Alle waren bewaffnet. Es war das erste Mal, dass ich in Cloral Waffen sah – außer den Harpunen, die zum Fischfang benutzt wurden. Die Aquanier hielten silberne Gewehre mit langen Läufen in den Händen.
Unter anderen Umständen hätte ich sie richtig cool gefunden. Auch Yenza war bewaffnet, aber sie trug eine silberne Pistole bei sich, die in einem Holster an ihrem Gürtel hing.
Mit festen Schritten betrat sie das Schlafzimmer und sah sich um. Als ihr Blick auf Spaders Vater fiel, wirkte sie erschrocken und traurig.
»Es tut mir leid, Spader«, sagte sie. »Ich kannte deinen Vater. Du bist ihm sehr ähnlich.«
Spader nickte nur.
»Magorran wird evakuiert«, fuhr Yenza fort, diesmal in geschäftsmäßigem Ton. »Alle Zivilisten müssen von Bord.«
»Wozu?«, fragte Onkel Press.
»Eine Gruppe Mediziner kommt hierher«, antwortete sie schnell. »Das Habitat steht unter Quarantäne, bis wir die Ursache für die Todesfälle herausgefunden haben.«
Gute Idee. Wenn ein Virus schuld war, konnten wir uns anstecken. Es war besser, die Untersuchung Experten zu überlassen.
»Sobald ihr auf Grallion seid«, fuhr Yenza fort, »wird man euch desinfizieren. Nehmt nichts von hier mit. Verstanden?«
Ich war sicher, dass wir drei alle das Gleiche dachten. Was war mit dem Stück Papier? Würde Spader es zurücklassen? Nein, würde er nicht. Er verließ das Zimmer, ohne den Zettel zu erwähnen. Onkel Press und ich sahen uns an und folgten ihm.
Zwei bewaffnete Aquanier eskortierten uns nach Magorran zurück. Wir standen nicht unter Arrest, sie wollten lediglich sicher sein, dass wir schnell von Bord gingen. Spader sagte kein Wort. Er ging steifbeinig und starrte geradeaus.
Als wir den zermalmten Bug erreichten, herrschte dort rege Betriebsamkeit. Eine Gruppe Aquanier war dabei, in unförmige Anzüge zu schlüpfen, die sie bestimmt vor gefährlichen Viren schützen sollten. Hoffentlich war diese Vorsichtsmaßnahme unnötig, denn sonst hatten Onkel Press, Spader und ich uns längst angesteckt. Auf einmal fand ich die Idee mit dem Desinfizieren hervorragend. Ich wollte schnellstens zurück nach Grallion.
Einer der Aquanier hielt uns an und sagte: »Wir besorgen euch
ein Boot. Wartet hier.« Er lief davon, und sein Kollege passte auf, dass wir uns nicht entfernten.
Während wir warteten, fiel mir etwas Merkwürdiges auf. Vor dem Ruderhaus standen zwei Agronomen abseits der anderen Leute. Sie schienen sich zu streiten. Es waren ein Mann und eine Frau, die ich beide schon bei Grolo gesehen hatte. Der Mann redete heftig auf die Frau ein. Er sah wütend aus und fuchtelte mit den Armen, doch sie wollte nicht zuhören und wandte sich ab. Worüber sie stritten, bekam ich nicht mit, aber die Szene ging mir nicht mehr aus dem Sinn.
Ein kleines Boot brachte uns nach Grallion zurück. Man erlaubte uns nicht, sofort nach Hause zu gehen, sondern brachte uns in die Klinik und nahm uns unsere Kleidung ab. Wahrscheinlich wurden die Sachen sofort verbrannt, denn wir sahen sie nie wieder. Natürlich bekamen wir neue Kleidungsstücke. Außerdem sollten wir unsere Taschen ausleeren. Das war nicht gut. Ich würde meinen magischen Ring abgeben müssen, von Onkel Press’ Ring und dem Gegenstand, den er Spaders Vater abgenommen hatte, ganz zu schweigen. Ich fragte mich, was Spader mit dem Brief tun würde. Vielleicht war diese Zeichnung eine
Weitere Kostenlose Bücher