Pendragon - Der Anfang
Mich überraschte nichts mehr. So wie Käpt’n Ahab Moby Dick jagte, so wartete Onkel Press auf das Quig.
»Komm schon. Noch näher. Komm her«, murmelte er lockend.
Das Quig gehorchte. Es hatte uns fast erreicht. Blutrünstig
sprang es vor und riss das Maul auf, um nach Onkel Press zu schnappen.
»Die Pfeife!«, rief er mir zu. »Du musst pfeifen! Jetzt!«
Die Pfeife? Was sollte sie schon bewirken? Doch ich widersprach nicht. Mit einer Hand steuerte ich, mit der anderen tastete ich nach der geschnitzten Pfeife. Die Bestie hatte Onkel Press fast erreicht. Endlich fand ich die Pfeife, zog mir das Lederband über den Kopf, setzte sie an die Lippen und blies hinein.
Man hörte überhaupt nichts. Das Ding war sicher so gearbeitet wie die lautlosen Hundepfeifen, deren Pfiff eine so hohe Frequenz hat, dass nur Hunde ihn hören. Oder besser nur Hunde und Quigs, und den Quigs gefiel der Pfiff kein bisschen. Das Untier riss sein schreckliches Maul auf und stieß einen Schrei aus, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten. Es war ein Schmerzensschrei, als hätte sich der Pfiff wie ein Messer in den schweren Schädel gebohrt.
In diesem Augenblick stieß Onkel Press zu. Er warf die Waffe wie ein Speerwerfer bei den Olympischen Spielen. Sie flog geradewegs in den weit geöffneten Rachen des Monstrums! Das Quig stieß einen erstickten Schrei aus, als der Speer tief in seiner Kehle stecken blieb. Es taumelte und fiel auf die Seite. Schnee stob hoch, und eine grauenvolle Blutfontäne spritzte aus dem Schlund.
Es war widerlich. Allerdings nicht so widerlich wie das, was dann geschah. Die übrigen Quigs erreichten die Stelle, an der ihr Gefährte lag. Doch anstatt uns weiterzuverfolgen, fielen sie über das verletzte Tier her. Es war wie im Film, wenn ein Rudel Haie Blut schmeckt. Ich höre noch immer die Geräusche, als sie ihren Artgenossen in Stücke rissen und zerfleischten. Das Geräusch von Fleisch, das von Knochen abgerissen wird, werde ich nie vergessen. Das Quig lebte übrigens noch. Die qualvollen Schreie gellten uns in den Ohren. Zum Glück verstummten sie bald.
Ich sah noch einmal zurück und wünschte sofort, ich hätte es
gelassen. Denn gerade in diesem Moment hob eines der Quigs den Kopf, und ich erblickte die blutverschmierte Schnauze und Überreste des Opfers. Jetzt wusste ich, was Onkel Press meinte, als er sagte, wir müssten eines der Quigs »erwischen«.
»Pass auf!«, brüllte er.
Hastig drehte ich mich um und sah, dass wir in wenigen Sekunden einen Felsen von der Größe eines Kleinwagens rammen würden. Ich riss das Geweih herum. Der Schlitten vollführte eine Drehung und schlug mit dem hinteren Teil gegen den Felsen. Wir fuhren weiter, aber der Aufprall hatte Onkel Press auf den Boden des Schlittens geschleudert. Um ein Haar hätte auch ich die Balance verloren, doch ich hielt mich mit aller Kraft an dem Geweih fest. Es musste schon mehr passieren als ein kleiner Stoß, damit ich das Ding losließ. Leider hatte ich die Pfeife verloren, als ich nach dem Steuer griff. Wenn uns die Quigs weiterverfolgten, saßen wir in der Klemme. Wir hatten weder Speere noch Pfeife.
Inzwischen fuhren wir ziemlich schnell den Abhang hinunter, der irrsinnig steil war. Vor mir erblickte ich einen Waldrand. Bis jetzt hatte ich nur vereinzelten Felsbrocken ausweichen müssen, aber nun rasten wir genau auf eine Reihe Bäume zu.
»Ich übernehme!«, rief Onkel Press. Er hatte sich neben mich gezwängt, und ich war überglücklich, ihn ans Steuer zu lassen.
»Ich nehme an, wir haben keine Bremsen?«, brüllte ich.
»Leider nicht!«, lautete die Antwort. Keine gute Antwort. Wir hatten schließlich keine planierte Skistrecke vor uns.
O nein! Wir fuhren direkt auf die Bäume zu. Das Einzige, was uns nun würde stoppen können, war etwas sehr, sehr Festes. Und das würde sicherlich nicht glimpflich ablaufen.
»Rechts! Lehn dich nach rechts!«, brüllte Onkel Press. Ich tat es, und er lenkte uns um einen Baum herum. »Mach es mir nach! Pass auf, wohin wir ausweichen! Links!«, schrie er.
Es war, als säße ich wieder auf dem Motorrad. Wir mussten uns
in die Kurven legen, um sie besser nehmen zu können. Allerdings hatte ein Motorrad Bremsen. Es war einfach schrecklich. Wir rasten auf einem morschen Schlitten im Slalom durch einen dichten Wald voller steinharter Fichtenstämme.
Im Abstand von wenigen Zentimetern sausten wir an den Bäumen vorbei. Links, rechts, wieder rechts. Wir fuhren zu schnell, als dass mir Onkel Press
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