Pendragon - Der Anfang
sie lässt es nicht an mir aus.«
Osa lächelte und ging weiter. Ich folgte ihr, und sie erzählte mir von Denduron.
»Die Leute, die in diesem Dorf wohnen, gehören zum Stamm der Milago. Wie du siehst, führen sie ein einfaches Leben. Sie versorgen sich selbst mit Nahrung und leben in Frieden mit den übrigen Stämmen Dendurons.«
Milago. Onkel Press hatte das Wort benutzt, ehe die schwarzen Ritter auftauchten. Er sagte, sie würden mir helfen, und so nahm ich an, dass sie in diesem Film die Guten waren.
»Was ist mit den Rittern, die Onkel Press angriffen?«, erkundigte ich mich. »Sind das auch Milago?«
»Nein«, antwortete Osa. »Das erkläre ich dir gleich.«
Wir verließen das Dorf und wanderten etwa einen halben Kilometer einen Waldweg entlang. Irgendwann erreichten wir den Waldrand, und wieder erwartete mich ein erstaunlicher Anblick. Erinnerst du dich daran, wie ich schrieb, dass nur noch eine gewaltige Burg fehlte, die über diesem mittelalterlichen Dorf thronte? Nun, da hatte ich meine gewaltige Burg, aber sie thronte nicht. Ich beschreibe dir, was ich sah:
Als wir aus dem Wald traten, standen wir auf einer großen, mit Gras bewachsenen Fläche. Wir wanderten über das Gras bis zu einer Klippe auf der anderen Seite. Tief unterhalb dieser Klippe war Wasser. Ja, wir standen hoch über einem Ozean, so blau und riesig wie der Atlantik. Das Meer lag rechts von mir, und ich betrachtete die Küste. Sie war zerklüftet und uneben, mit hohen grauen Felsen, die über das Wasser hinausragten. Die Klippe, auf der wir standen, bildete eine Seite eines Fjordes. Unter mir schlugen die hohen Wellen gegen die Felsen. Tief unter mir. Wir standen so hoch über dem Wasser, dass ich ganz verschwitzte Handflächen bekam. Mit Höhen habe ich so meine Probleme. Schnell schaute ich zur anderen Seite des Fjordes hinüber. Dort wuchs dunkelgrünes Seegras, das sich sanft im Wind bewegte. Doch dort verweilte
mein Blick nicht lange, denn was ich darunter sah, raubte mir den Atem.
Eine wahre Monsterfestung hing direkt an der Felswand. Sie sah aus, als hätte man sie aus den Klippen herausgeschält. Ich entdeckte mehrere Stockwerke mit Balkonen, auf denen Ritter Wache hielten, die wie Onkel Press’ Entführer aussahen. Sie marschierten hin und her und trugen gefährlich aussehende Speere über den Schultern. Ob sie nach Raubfischen Ausschau hielten?
Ich zählte fünf Stockwerke – eine verdammt große Festung. Anscheinend erriet Osa meine Gedanken, denn sie sagte: »Du siehst nur die Außenmauer des Palastes. Er reicht tief in die Felsen hinein und bildet ein Dorf für sich.«
Soweit ich bis jetzt gesehen hatte, gab es hier keine Maschinen. Also hatten die Leute die Burg mit ihren Händen aus den Klippen gehauen. Es musste Jahrhunderte gedauert haben, ein so großes Gebäude mit einfachen Werkzeugen fertigzustellen.
»Hier gab es schon immer zwei Stämme«, fuhr Osa fort. »Die Milago bearbeiten die Felder, die Bedoowan sind Soldaten und Herrscher. Irgendwann einmal lagen viele Stämme Dendurons im Krieg miteinander. Die Bedoowan beschützten die Milago vor Feinden, und als Gegenleistung versorgten die Milago sie mit Nahrungsmitteln. Beide Stämme waren voneinander abhängig, hielten aber eine gewisse Distanz. So blieb es viele hundert Jahre lang, und sie lebten recht harmonisch. Doch die Bedoowan waren mächtig, und Macht kann zu Arroganz führen. Es war den Milago verboten, jemanden aus dem Bedoowanstamm zu heiraten oder auch nur Freundschaften mit Bedoowan zu schließen. Wie es häufig in solchen Situationen geschieht, betrachteten die Bedoowan die Milago irgendwann als ihre … Sklaven.«
»Trotzdem beschützen sie die Milago noch, oder?«, fragte ich.
»Seit langer Zeit gab es keine Überfälle mehr. Darum bedürfen die Milago des Schutzes nicht«, erklärte Osa.
»Also erledigen die Milago die ganze Arbeit, und die anderen machen … was?«
»Eine gute Frage. Die Bedoowan werden von einer königlichen Familie regiert, und das erstgeborene Kind erbt den Thron. Vor nicht allzu langer Zeit wollte der Bedoowankönig die Schranken zwischen beiden Stämmen beseitigen. Leider starb er, und sein ältestes Kind trat die Nachfolge an. Es gibt Menschen, die behaupten, man hätte ihn ermordet, damit die Bedoowan ihre Vormachtstellung behielten.«
»Und ich gehe davon aus, dass der neue König Sklavenhaltung gut findet und für die Trennung beider Stämme eintritt«, sagte ich.
»Stimmt. Die Milago fürchten sich sogar,
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