Pendragon - Der Anfang
wollte Mark den Ring hergeben. Aber die Pergamente durfte er auch nicht verlieren. Noch hatte er nicht gelesen, was Bobby von ihm wollte.
»Denk ein bisschen schneller, Dimond«, sagte Mitchell grinsend und schwenkte die Tasche hin und her. »Rucksack oder Ring … Rucksack oder Ring.«
Mark wusste nicht, was er tun sollte. Plötzlich umklammerte eine stählerne Faust Mitchells Handgelenk, und Andy fand sich Auge in Auge mit Courtney wieder. Sie hatte die Szene in aller Ruhe von der Bank aus beobachtet. Zwar hatte sie keine Ahnung, wie sie mit Bobbys Verschwinden oder dem Verschwinden seiner Familie umgehen sollte, aber sie wusste ganz genau, wie man mit Widerlingen wie Andy Mitchell umging. Sie quetschte sein Handgelenk und starrte ihn durchdringend an.
»Wirfst du die Tasche in den Gully«, zischte sie mit gebleckten Zähnen, »stopfe ich dich kopfüber hinterher.«
Lange Zeit standen sie da und sahen sich in die Augen. Nach einer scheinbaren Ewigkeit lächelte Mitchell.
»Mensch, ich hab doch bloß Spaß gemacht«, sagte er.
Courtney streckte die freie Hand aus und packte den Rucksack.
Als sie ihn hatte, ließ sie Mitchell los. Schnell wich er ein paar Schritte zurück und rieb sich das schmerzende Handgelenk.
»Es war nur ein Jux«, erklärte er, um nicht das Gesicht zu verlieren. »Woher hast du den alten Ring eigentlich?«
Mark und Courtney starrten den Jungen so lange schweigend an, bis ihm mulmig wurde, und er beschloss zu verschwinden.
»Mann, ihr stellt euch vielleicht an«, murmelte er und trabte davon. Courtney warf Mark den Rucksack zu.
»Danke«, sagte er verlegen. Jetzt, da die Krise vorbei war, fiel ihm auf, dass er sich nicht gut geschlagen hatte.
»Ich hasse diesen Idioten«, erklärte Courtney.
»Wir müssen uns einen ruhigeren Platz suchen und weiterlesen«, sagte Mark ernst. »Ich möchte das ungern in der Öffentlichkeit tun. Lass uns zu mir nach Hause gehen.«
»Nee«, erwiderte Courtney bestimmt. »Sei mir nicht böse, aber bei dir fühle ich mich nicht gerade wohl.«
Peinlich berührt sah er zu Boden.
»He, ist schon okay«, sagte sie grinsend. »Bei Jungs sehen die Zimmer immer so aus. So ist das nun mal. Wir gehen zu mir.«
Bis zu Courtneys Haus war es nicht weit, und beide sprachen unterwegs nicht viel. Sie dachten über Bobbys Journal nach. Viele Fragen waren noch offen, doch eine übertraf alle anderen: Worum handelte es sich bei dem gefährlichen Gefallen, um den Bobby Mark bitten wollte? Courtney brannte darauf, es zu erfahren. Mark auch, aber er war nicht sicher, ob er unbedingt etwas Gefährliches tun wollte, selbst wenn es sehr wichtig war. Bis jetzt gipfelte Marks Vorstellung von Gefahr darin, abends an fremden Türen zu klingeln und wegzulaufen. Wenn man bedachte, was Bobby gerade erlebte, würde es bestimmt um etwas mehr gehen.
Sie erreichten Courtneys Zuhause, das sich nicht sehr von Marks unterschied. Beide lebten in ruhigen, ordentlichen Vorstadtstraßen. Doch statt in ihr Zimmer führte Courtney ihn in den Keller,
wo sich die Werkstatt ihres Vaters befand. Sekundenlang war Mark enttäuscht, dass ihm die Chance verwehrt blieb, einen Blick in das Heiligtum der wundervollen Courtney Chetwynde zu werfen. Doch im Augenblick gab es Wichtigeres als das.
Sie setzten sich auf ein verstaubtes altes Sofa, und Mark öffnete den Rucksack. Er breitete die kostbaren Blätter auf einem niedrigen Tisch aus. Dann zögerten beide einen Moment lang. Obwohl sie fast vor Neugier starben, was Bobby als Nächstes erlebte, hatten sie auch ein wenig Angst vor dem Inhalt und den beunruhigenden Neuigkeiten, die auf sie warteten. Schließlich holten sie tief Luft.
Courtney schaute Mark an und fragte: »Bist du bereit?« »Klar.«
Sie wandten sich den Pergamenten zu und lasen dort weiter, wo sie aufgehört hatten.
»Ich würde hier verschwinden und dem Wahnsinn den Rücken kehren … mit oder ohne Onkel Press.«
ZWEITES JOURNAL (FORTSETZUNG)
DENDURON
Mein Plan war, zurück auf die Spitze des Berges zu klettern, mich an den Kannibalen-Quigs vorbeizuschleichen, das Tor zum Flume zu finden … und abzuhauen.
Einfach, wie? Klar, ganz einfach. Ich war nicht einmal sicher, dass ich die Höhle finden würde, ganz zu schweigen von dem Marsch durch den Schnee; und ob ich an den Quigs vorbeikommen könnte. Trotzdem war ich fest entschlossen. Alles war besser, als hierzubleiben.
Heute würde ich es nicht mehr schaffen. Die Sonnen gingen unter, und es wurde dunkel. Ja, richtig gelesen.
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