Penelope Williamson
dem Handrücken schnell die Tränen
vom Gesicht. »Du hast recht, Tyl, gehen wir! « Sie lächelte ihn tapfer an, und
er glaubte, das Herz werde ihm brechen.
Tyl ging zum Haus der Bishops zurück und holte die Pistole für den
Startschuß. Als Caleb ihn sah, eilte er auf ihn zu.
»Wie ich höre, kann man bei dem Rennen eine kostenlose Entbindung
gewinnen.«
Tyl lachte. »Richtig, Reverend. Wollen Sie sich am Wettkampf
beteiligen? Dieser Preis dürfte auch für Sie und Elizabeth über kurz oder lang
von Nutzen sein.«
Caleb wurde rot. Er warf einen schnellen
Blick auf Elizabeth, die mit Anne und Hannah Randolf, der schwangeren Frau des
Schmieds, auf einer Bank saß und sich unterhielt. Der Reverend wirkte
sichtlich besorgt, aber er lächelte bald wieder. »Ach, ich glaube, Mrs. Randolf
wäre zur Zeit am glücklichsten über den Preis. «
»Hannahs Mann müßte so gesehen immer gewinnen. Reverend, wenn sie
reiten wollen, kann ich Ihnen ein Pferd leihen.«
Caleb schüttelte den Kopf und blickte wehmütig zu den Männern,
die die Sattelgurte nachspannten und die Steigbügel vor dem Aufsitzen noch
einmal überprüften. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß meine Oberen in Boston
es billigen würden, wenn ihr Pfarrer wie ein Cowboy um die Wette reitet.«
Vermutlich hat er recht, dachte Tyl, denn es war jedesmal ein
schwer erkämpfter Sieg, und es wurden hohe Wetten abgeschlossen. Alles in
allem konnten solche rauhen Wettkämpfe der Kirche nicht besonders gefallen.
Das Pferderennen ging über eine Strecke von
fünf Meilen. Die Reiter starteten unter dem Wetterhahn mitten auf der Gemeindewiese,
umrundeten das Sägewerk, ritten am Haus der Bishops vorbei zum neuen Bethaus
und folgten dann dem Weg am Flußufer. Dort, außer Sichtweite der Zuschauer,
galten keine Regeln mehr, und jeder Reiter versuchte, sich mit allen möglichen
Tricks an die Spitze des Feldes zu setzen. Wer dann noch im Sattel saß, mußte
mit der Wildnis kämpfen, denn die Strecke führte mitten durch den Wald. Nach vier
Meilen kehrten die Reiter von der Rückseite ins Dorf zurück, umrundeten das
große Blockhaus und erreichten dann den Mast mit dem Wetterhahn. Sieger wurde
im allgemein der Reiter, dem es gelang, in dem Gelände irgendwie im Sattel zu
bleiben. Dr. Savitch mußte anschließend meist eine Reihe Knochenbrüche,
Prellungen und Zerrungen behandeln.
Tyl gab stets den Startschuß. Er stellte sich vor den hohen Mast
und hob Oberst Bishops alten Revolver hoch über den Kopf. Dann rief er laut:
»Meine Herren, auf die Plätze!«
Es gab keine vorgezeichnete Startlinie, deshalb schoben sich die
Reiter fluchend oder gutmütig lachend mit den unruhigen Pferden in die
möglichst beste Position.
Tyl entsicherte den Revolver. »Fertig! «
»He, Doc!« rief jemand. »Machen Sie es nicht
so spannend! «
Lachend drückte Tyl ab. Der Schuß hallte über das Wasser, und die
Reiter preschten unter johlendem Geschrei und mit donnernden Hufen davon.
Delia lief aufgeregt zu Tyl, und als die Reiter vom Haus der Bishops
zurück und an ihnen vorbei zur Kirche jagten, rief sie glücklich: »Sieh doch
nur, Tyl! Nat liegt vorne! Ich wünsche mir so sehr, daß er gewinnt! «
Als er sie verblüfft ansah, wurde ihm
plötzlich die ganze Bedeutung ihrer Worte bewußt, und die Erkenntnis traf ihn
wie ein Faustschlag: Der Sieger gewinnt eine kostenlose Entbindung für
sein nächstes Kind ...
Und Delia wird die Mutter von Nats Kind sein ...
Nat wurde
Sieger.
Die braune Stute tauchte am Waldrand auf. Nat klammerte sich an
ihre Mähne. Mit einem Fuß war er aus dem Steigbügel gerutscht. Noch mußte er
die Palisadenwand umrunden, bevor er auf die Gemeindewiese zurückgaloppierte.
Aber die Stute blieb gut drei Längen vor dem nächsten Verfolger. Das Problem
schien nur, ob Nat bis zum Ziel im Sattel bleiben würde.
Aber er schaffte auch das. Die Stute kam im
gestreckten Galopp auf den Mast zu, und Nat zog keuchend die Zügel an. Das
Pferd blieb dampfend stehen, und er fiel aus dem Sattel ins Gras. Mühsam und
etwas schwankend stand er wieder auf. Sein bester Rock hatte einen Riß am
Ärmel. Er blutete an der Stirn, aber er sah sich triumphierend um.
Delia hob Tildy hoch und lief mit Meg an der
Hand zu Nat. In ihrer Freude schlang sie die Arme um seinen Hals und gab ihm
einen Kuß auf den Mund. »Oh, Nat! Nat. Wir haben gewonnen!« Nat wollte sie
verlegen von sich schieben, aber Meg drängte sich dazwischen und klammerte sich
an ihm fest.
»Papa hat gewonnen! «
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