Penelope Williamson
das Halstuch, knöpfte das Hemd auf
und zog es über den Kopf. Sein Oberkörper war unbehaart und glatt. Unter der
blassen Haut sah sie die knotigen Muskeln. Er hatte bereits einen kleinen
Bauch.
Als er das Hemd an den Haken hängte, fühlte Delia seine Augen auf
sich gerichtet, und sie hob den Kopf. Er wurde rot und fragte gereizt: »Ist
etwas?«
Delia zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. Sie wollte das
Mieder aufschnüren, aber ihre Hände begannen heftig zu zittern.
Er zuckte mit den Schultern und murmelte: »Vielleicht warte ich
draußen ...«
Delia nickte stumm. Als sich die Tür hinter Nat schloß, legte sie
erleichtert die Hände auf die Augen.
Dann entkleidete sie sich schnell. An der Wand gab es vier Haken –
zwei für Nat und zwei für sie.
Mary hat sie für ihre Kleider benutzt, dachte Delia und mußte gegen
ihre Verzweiflung ankämpfen. Was hat Nat wohl mit all ihren Sachen getan?
Anne hatte Delia auch ein Nachthemd nähen lassen. Die langen Ärmel
waren mit Spitze besetzt, die Anne unter ihren »Resten« gefunden hatte. Delia
bewunderte den weichen Stoff und zog es über. Sie löste die Zöpfe und bürstete
sich noch rasch die Haare aus, dann legte sie sich ins Bett. Die Laken waren
kühl, und sie zitterte. Sie überlegte, ob sie das Licht löschen sollte, aber
dann dachte sie, Nat wäre es vermutlich lieber, wenn die Lampe noch brannte.
Es dauerte lange, bis er schließlich zurückkam, und Delia war
schon fast eingeschlafen. Als die Tür aufging, drehte sie sich schlaftrunken
herum, aber dann wurde sie wieder hellwach und wartete angespannt. Er blieb
erst zögernd an der Tür stehen, bevor er sich dem Bett näherte. Ihre Blicke
trafen sich kurz. Er fuhr sich nervös mit der Zunge über die trockenen Lippen.
Delia mußte an das Gefühl seiner Lippen auf ihrem Mund denken.
Sie hoffte, er werde einfach das tun ... was er tun mußte, aber ohne weitere
Küsse. Sie war entschlossen, an den heiß geliebten Mund eines anderen zu
denken, an seine zärtlichen Hände, an seine warme, sinnliche Zunge ...
Nat löschte das Licht, und es wurde völlig
dunkel.
Die Matratze gab nach, als er sich mit dem Rücken zu ihr auf den
Bettrand setzte. Delia hörte, wie er die Stiefel auszog. Die Matratze bewegte
sich noch einmal, als er die Hose auszog. Sie sah ihn nur als einen
undeutlichen Schatten. Er beugte sich vor und löste offenbar den Holzfuß vom Beinstumpf.
Das Scharnier klapperte, und die Lederriemen fielen auf Holz.
Ziehen sich alle Eheleute im Dunkeln aus, überlegte Delia. Wie
seltsam würde es sein, wenn Nat mit ihr schlafen wollte, ohne daß sie sein
Gesicht sehen konnte.
Aber dann sieht er auch nicht mein Gesicht,
dachte sie erleichtert.
Als er die Bettdecke zurückschlug, spürte sie
einen kühlen Lufthauch. Er legte sich neben sie. Delia bewegte sich nicht und
versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken. Aber als seine Hand nach ihr griff und
ihre Brust berührte, zuckte sie zusammen.
Er rückte näher, legte den Arm um ihre Hüfte
und zog sie beinahe gewaltsam zu sich. Delias zog unwillkürlich die Beine an
und für den Bruchteil einer Sekunde berührte ihr Knie sein schlaffes Glied. Als
sie die Beine wieder ausstreckte, drehte er sich auf die andere Seite.
Mit dem Rücken zu ihr setzte er sich ruckhaft auf. Bei all dem
blieben sie beide stumm. Delia stellte plötzlich fest, daß sie kurz und schnell
atmete.
»Ich kann es nicht«, stieß Nat dumpf hervor.
Sie mußte schlucken.
»Tut mir leid, Delia ... aber ich kann es
einfach nicht. Mary ... sie ist erst vor drei Monaten gestorben.« Er sprach
leise, und in der Dunkelheit klang seine Stimme dumpf. »Wir waren zehn Jahre
verheiratet und haben zehn Jahre in diesem Bett gelegen ... jede Nacht, nur
dann nicht, als die Mädchen zur Welt kamen, oder wenn ich zu den Manövern nach
Wells mußte. Sie ist ... war ... die einzige Frau, mit der ich ... es hat
nichts mit dir zu tun, Delia, aber ich kann einfach nicht ...«
»Nat, mach dir keine Sorgen. Ich verstehe das.« Delia richtete
sich auf und stützte sich auf das Kissen.
Er drehte den Kopf nach ihr um, aber in der Dunkelheit konnte sie
sein Gesicht nicht sehen. »Als du bei den Bishops die Treppe heruntergekommen bist
und dann, als du getanzt hast, da sahst du so hübsch aus, und ich dachte,
vielleicht ...« Seine Stimme versagte. »Aber wenn ich nur daran denke, habe ich
Schuldgefühle. Wenn ich dich berühre, weiß ich zwar, daß meine Mary tot ist ...
ich weiß es, aber trotzdem
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