Penelope Williamson
DICH NICHT!
Drei Tage später saß Nat frühmorgens mit seinen beiden Töchtern am
Küchentisch beim Frühstück. Es roch nach verbrannten Bohnen, denn Delia hatte
den Brei anbrennen lassen.
Nat blätterte in den alten, zerfledderten
Seiten seines Almanachs. »Das heiße trockene Wetter wird nicht lange anhalten«,
sagte er. »Der August wird in diesem Jahr viel Regen bringen. Am besten fangen
wir heute mit dem Heumachen an.«
Delia kam mit dem Tablett und räumte die
Teller ab. Als sie nach Tildys Schüssel griff, lag darin die harte Brotkruste.
Delia wollte sie schnell auf das Tablett stellen, aber Nat hatte das Brot
bereits gesehen.
»Tildy, iß die Kruste!« sagte er streng.
Tildy verzog den Mund. »Aber Papa, es ist so
hart!«
»Mama hat immer gutes und weiches Brot gebacken«, erklärte Meg
düster.
Delia hatte am Abend zuvor den Brotteig
gemacht und ihn über Nacht auf den Ofen gestellt. Die Glut hatte sich zwar mit
Asche überzogen, aber darunter war sie noch heiß. Leider sahen die Brotlaibe
entsprechend verkohlt aus. Das Brot war flach und knochenhart. Delia mußte
sich eingestehen, daß es wirklich beinahe ungenießbar war.
Sie wagte deshalb kaum, den Kopf zu heben, aber sie spürte Nats vorwurfsvolle
Blicke. »Ach, vielleicht ist es das beste, wenn ich es einweiche und den
Schweinen füttere.«
»Das ist Verschwendung, Delia.«
»Was soll ich denn tun?« rief sie, den Tränen
nahe. Delia wußte bereits nach drei Tagen, daß sie nie eine gute Farmersfrau
sein würde.
Am ersten Tag nach der Hochzeit hatte Nat noch
vor Sonnenaufgang die Ziege gemolken. Er zeigte ihr, wie man das machte, und
sagte ihr dann, das Melken sei Aufgabe der Frau. Am nächsten Morgen hatte sich
Delia pflichtbewußt zu der Ziege begeben. Aber das hinterhältige Tier hatte
versucht, ihr die Locken abzufressen, als seien sie saftiges Gras, dann war das
Biest einfach nicht still stehengeblieben, und Delia fiel vom Schemel. Zu
ihrem größten Verdruß warf die Ziege schließlich den fast vollen Eimer um, und
Delia kam nur mit wenig Milch ins Haus zurück. Nat hatte seine Enttäuschung
nicht verhehlt.
Unverdrossen ging Delia später mit der Hacke
in den Garten. Aber nach drei Stunden mühevoller Arbeit in der heißen Sonne
erklärte Meg triumphierend, sie habe nicht das Unkraut gejätet, sondern die
Möhren und Steckrüben herausgerissen. Was Delia für Gemüse hielt, war in
Wirklichkeit die schnell wachsende stinkende Zehrwurz.
»Delia hat Mamas Garten völlig ruiniert!« begrüßte Meg ihren Papa,
als er zum Essen vom Feld kam.
Und heute habe ich das Frühstück anbrennen lassen, dachte Delia
verzweifelt. Welches Unheil würde dieser Tag wohl noch bringen? Die Liste ihrer
Aufgaben war endlos, und hinter jedem Punkt schien sich ein Mißgeschick zu
verbergen.
Vor dem Frühstück hatte sie bereits den Stall
ausgemistet und das frische Stroh auf dem Boden ausgebreitet, die Hühner mit
Körnern gefüttert, die Eier eingesammelt und die Ziege gemolken. Und dann war
im Handumdrehen der Brei angebrannt. Sie seufzte beim Anblick der halbvollen
Schüsseln. Dann stellte sie jedoch fest, daß die Becher mit der heißen
Schokolade leer waren. Sie hatte den Kakao mit der Ziegenmilch gekocht und mit
Sirup gesüßt. Das war, wie sie glaubte, ein Rezept ihrer Mutter gewesen.
Na ja, dachte sie ein wenig erleichtert, alles habe ich
nicht falsch gemacht.
»Ich muß an die Arbeit!« erklärte Nat und schlug den Almanach so
laut zu, daß Delia erschrocken zusammenzuckte. Dann stand er auf. Schuldbewußt
sah Delia, daß an seiner Hose die Schnalle am rechten Knie fehlte. Sie hatte
ihm bereits am Tag zuvor versprochen, die Schnalle anzunähen, es dann aber
wieder vergessen. Sie stöhnte stumm: Ich werde nie eine gute Hausfrau sein ...
Nat sagte zu Meg: »Du kannst mir beim Heumachen helfen, mein Kind.
Delia, wenn du mit der Hausarbeit fertig bist, könnte ich auch deine Hilfe
gebrauchen.«
Delia schlug die Augen nieder und holte tief Luft. Jetzt mußte sie
ihren ganzen Mut zusammennehmen. »Ich möchte heute nachmittag eine Stunde nach
Merrymeeting gehen ... Mrs. Bishop will mir Unterricht geben.«
Nat sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Sie gibt dir Unterricht?
Willst bei ihr Spinnen lernen? Na ja, das ist ja gut und schön, Delia, aber das
Heumachen ist im Augenblick wichtiger.«
Delia fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ich
lerne bei ihr nicht Spinnen, sondern Lesen und Schreiben.«
Sein Gesicht war plötzlich wie
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