Penelope Williamson
die Stämme vom Schlitten und begruben die
Männer unter sich. O ja, im Maine gab es viele Möglichkeiten, den Tod zu
finden.
Eine Frau bekommt den Husten und stirbt in wenigen Tagen an
Lungenentzündung, dachte er bekümmert.
Nat begann, den ersten Baum einzukerben. Seine
Muskeln spannten sich, während er die lange Axt über den Kopf hob und sie in
das weiche Holz sausen ließ. Dann war der junge Mann an der Reihe, der ihm
gegenüber stand. Der Holzfuß zwang Nat, das Gewicht mehr auf das gesunde Bein
zu verlagern. Das behinderte ihn etwas beim Ausholen. Trotzdem waren
seine Axtschläge wirkungsvoll, und mit Zufriedenheit sah er, daß seine Treffer
tiefer schnitten als die seines Partners.
Die Axtschläge hallten durch den Wald. Die Männer arbeiteten
schnell und ausdauernd. Als der Baum kurz vor dem Umstürzen war, trat der Junge
zurück und überließ es Nat, ihn zu fällen. Der Baum schwankte und erbebte unter
dem blauen Himmel, dann fiel er mit lautem Krachen auf die Erde. Blätter,
Zweige und Äste regneten auf sie herab.
Als es wieder still wurde, hörten sie das einsame durchdringende
Heulen eines Wolfs. Der junge Mann begann zu zittern.
»Ich habe dir gesagt, du solltest einen Rock tragen«, wiederholte
Nat unwillig, obwohl er nach dem ersten Baum bereits ins Schwitzen geraten
war. Er zog seinen Rock aus und warf ihn dem Jungen zu.
Der Wolf heulte noch einmal. Diesmal schien das Geheul näher zu
sein, und Nat runzelte die Stirn.
So kann man auch sterben, dachte er, man wird von Wölfen überfallen
...
Er umfaßte mit beiden Händen die Axt und stapfte zum nächsten
Baum.
Elizabeth und Delia gingen Seite an Seite auf den
Fahrspuren in Richtung der Farm. Neben ihnen raschelten die abgeernteten und
dürren Maisstauden im Wind. Vor einer Woche hatten sie in Delias Küche die
gelben Maiskolben in langen Reihen zum Trocknen an die Decke gehängt. Sie
hatten in der Gemeinde das Erntedankfest gefeiert. Tyl war eingeladen worden,
aber er war nicht gekommen.
Delia musterte ihre Freundin von der Seite. Elizabeth war inzwischen
im fünften Monat und sah besser denn je aus. Immer wieder legte sie die Hand
auf den merklich vorgewölbten Leib, als wollte sie sich versichern, daß das
Kind noch dort war. Auch jetzt tat sie es wieder, und Delia mußte lächeln.
»Es ist wirklich nett von Ihnen, Elizabeth,
mit mir herauszukommen, um mir zu zeigen, wie ich Marys Spinnrad in Gang setzen
kann.«
»Ach, das tu ich doch gern«, erwiderte Elizabeth freundlich. Seltsam,
dachte Delia, die Schwangerschaft scheint Calebs Frau mit dem Leben in der
Wildnis auszusöhnen.
»Jedes Spinnrad hat seine Besonderheiten«, erklärte Elizabeth.
»Deshalb lernt man am besten mit dem eigenen.«
»Es gehört
Mary.«
»Aber jetzt gehört es dir, Delia.«
Nat würde das nicht gern hören, dachte Delia,
aber das sagte sie Elizabeth nicht. Als sie den Obstgarten erreichten, sahen
sie, daß der Wind in der letzten Nacht viele Äpfel von den Bäumen gerissen
hatte. Delia nahm Elizabeth an der Hand und sagte: »Wir holen uns ein paar
Äpfel. Die können wir beim Spinnen braten. Die Mädchen werden sich freuen, wenn
sie nach dem ersten Schultag einen kleinen Leckerbissen bekommen.«
»Du bist wirklich gut zu den Kindern«, sagte Elizabeth und fügte
fröhlich lachend hinzu: »Aber bestimmt möchten Nat und du auch noch eigene
Kinder haben.«
Delia wandte sich schnell ab, damit Elizabeth
die Tränen nicht sah, die ihr in die Augen stiegen. Sie würde nie ein Kind
bekommen, wenn Nat immer auf dem Feldbett schlief. Außerdem wollte sie kein
Kind von Nat. Sie wollte Tyl ein Baby schenken ...
Delia sammelte die Äpfel in der Schürze auf, und die beiden Frauen
freuten sich über die roten, saftigen Früchte.
Eine Schar Wildenten flog dicht über sie
hinweg. Das Schlagen der vielen Flügel hörte sich wie ein herannahender Sturm
an. Plötzlich schien es kalt und dunkel zu werden. In der Ferne heulte ein
Wolf.
Elizabeth erschauerte, und ihre alte Angst stellte sich wieder
ein. Sie legte schützend beide Hände auf den Leib.
»Etwas stimmt nicht ...«, flüsterte Delia und hielt die Luft an.
Instinktiv blickte sie zum Haus ... und schrie.
Nat legte die
Axt auf einen der Baumstümpfe in der Nähe, kauerte sich vor das Feuer und
wärmte die Hände an dem Becher mit heißem Apfelwein. Die Blasen an den Händen
brannten, und er zuckte zusammen, als er den Becher an die Lippen setzte. Es dauerte
immer ein paar Wochen, bis die Schwielen in den
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