Penelope Williamson
zerschmettert.
Oberst Bishop folgte Tyls Blick und nickte. Dann sagte er leise:
»Nat Parker. Ich habe gesehen, wie sie ihn skalpiert haben.« Plötzlich stöhnte
er. »Und sie haben ...«
Ein Ast knackte, und Tyl griff nach der schußbereiten Büchse.
Angespannt blickte er zum Waldrand. Er glaubte allerdings nicht, daß es sich um
einen Indianer handelte, denn der Mann machte zuviel Lärm.
»Nicht schießen, Tyl! Ich bin es!« Sam Randolf kam mit zwei anderen
Männern aus Merrymeeting auf die Lichtung. »Wir haben die Schüsse gehört und
... Allmächtiger!« rief er und verstummte beim Anblick der Leichen.
Tyl spürte plötzlich, wie ihm Oberst Bishop
die Hand auf den Arm legte. »Ich wollte sagen ... sie haben seine Frau
gefangengenommen.«
»Sams
Frau?«
»Nein, Nats Frau ... Delia. Die Indianer haben Delia, Mrs. Hooker
und Sara Kemble als Gefangene mitgenommen.«
Tyl erstarrte. Wie aus weiter Ferne hörte er sich fragen: »Welche
Art Kriegsbemalung hatten sie?«
»Wolfsköpfe ...«, Oberst Bishop stöhnte und
verlor das Bewußtsein.
Tyl blickte
nach Nordosten zu den blauen Gipfeln.
Malsum,
dachte er. Der Wolf ist das Totem der
Norridgewock.
Delias Füße bluteten von den vielen Wurzeln und Steinen, die unsichtbar
unter den braunen Nadeln lagen. Sie war so durstig, als habe sie seit Wochen
nichts getrunken. Jeder Atemzug schmerzte wie ein Schlag mit der Axt.
Sie liefen einen Wildwechsel entlang. Das gedämpfte Sonnenlicht,
das durch die Zweige fiel, verblaßte allmählich. Seit sie das Holzfällerlager
verlassen hatten, rannten sie ohne Pause. Die Indianer beherrschten mühelos
raumgreifende große Sprünge, aber die Frauen rangen bald nach Luft und stolperten
immer wieder. Wenn ihnen die Beine den Dienst zu versagen drohten, schlugen die
Indianer sie brutal mit den Lederriemen.
Wenigstens hatte man ihnen die Fesseln
abgenommen. Delia hielt Elizabeth an der Hand und zog sie mit sich. Elizabeth
schien kaum etwas wahrzunehmen. Sie hatte sich tief in sich selbst
zurückgezogen, an einen Ort, wo es weder Schmerzen noch Gefühle gab. Selbst
auf die Schläge mit den Riemen reagierte sie nicht mehr. Sie war verstummt und
wie erstarrt. Delia fürchtete, wenn sie Elizabeth loslief?, würde sie mitten im
Wald stehenbleiben und ohne mit der Wimper zu zucken den Tomahawk ansehen, der
auf sie niedersauste.
Delia zweifelte nicht daran, daß die Indianer sie umbringen würden,
wenn sie nicht mit ihnen Schritt halten konnten. Sara Kemble wäre schon beinahe
getötet worden. Nach kaum einer Meile war die dicke, große Frau über eine
Wurzel gestolpert und gefallen. Die Haube war ihr nach vorne über ihre Augen
gerutscht. Sie blieb keuchend, schluchzend und fluchend auf allen vieren und
rührte sich nicht von der Stelle. Der Indianer, der sie an der Leine hielt, hob
mit unbewegtem Gesicht die Keule.
»Nein!« schrie Delia und warf sich gegen den Mann, der das
Gleichgewicht verlor und stürzte. Das war ein gefährlicher Fehler gewesen, denn
er sprang wütend auf und schwang die Keule, um ihr damit den Kopf zu
zerschmettern. Delia kauerte zitternd auf der Erde und sah an seinen Augen, daß
er sie umbringen würde. Diese Augen waren so hart und kalt wie polierter Stein.
In diesem Augenblick trat ein anderer Indianer dazwischen. Er war
größer und stärker als die übrigen Männer und offensichtlich ihr Anführer. Mit
einem kurzen Befehl verhinderte er den tödlichen
Schlag. Als er Delia an den Haaren packte, sie wie einen nassen Hund schüttelte
und wütend dabei anknurrte, verstand sie sehr wohl, was er sagen wollte. Sie
durfte nicht noch einmal so etwas wagen. Dann ließ er sie los und rief:
»Lusifee!« Die anderen lachten.
Er packte Delia an den Schultern und zog sie hoch. Delia reichte
ihm bis zu der breiten nackten Brust. Sie war glatt, braun und unbehaart.
Schweißperlen standen auf der öligen Haut. Seltsamerweise trug er einen
Rosenkranz um den Hals. Daran erkannte sie, daß es derselbe Indianer war, der
im Obstgarten den Apfel aufgespießt und später Nat skalpiert hatte.
Nat ...
»Lusifee«, sagte er noch einmal und schüttelte sie wieder. Dann
stellte er sie auf den Boden, und es ging weiter.
Sie machten nur einmal eine kurze Rast, als die Indianer aus einem
Versteck im Gebüsch ihre Lendenschürze hervorholten, um die Nacktheit zu
bedecken, und Mokassins an die Füße zogen. Dann rannten sie weiter.
Offensichtlich fürchteten sie, verfolgt zu werden, und wollten einen möglichst
großen Abstand
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