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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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zwischen sich und die Siedlungen der Weißen bringen.
    Es war bereits völlig dunkel, als die Indianer
schließlich stehenblieben. Sie wählten ein Lager auf einer kleinen
moosbewachsenen Lichtung. Ein Bach floß unter den Bäumen. Delia glaubte, noch
nie so köstliches eiskaltes Wasser getrunken zu haben. Aber die Freude war
kurz, denn sie wurden bald weitergezerrt, an den Handgelenken gefesselt und
wie Sklaven, die an ihren Herrn gekettet werden, an einen Indianer
festgebunden. Der Anführer mit dem Rosenkranz am Hals nahm sich Delia.
    Im Laufe des Tages hatte die Zahl der Indianer ständig abgenommen.
Sie verschwanden einzeln im Wald, bis schließlich nur noch drei übrigblieben.
Die drei entzündeten schnell ein fast rauchloses Feuer. Einer zog aus einem
Lederbeutel getrocknetes Fleisch und gerösteten Mais. Dann bekreuzigten sie
sich seltsamerweise wie die Katholiken vor dem Essen.
    Die Indianer kauten schmatzend das Fleisch
und den Mais. Sie lachten höhnisch über die beiden Frauen, die
sie hungrig und erschöpft anstarrten. Elizabeth blickte auf die Erde, ohne
etwas zu sehen.
    »Bekommen wir nichts?« fragte Sara schließlich. »Gebt ihr uns
nichts zu essen?«
    Die Indianer beachteten sie nicht. Delias
Magen knurrte, aber sie nutzte die Zeit, um sich den Mann, an den sie gefesselt
war, etwas genauer zu betrachten. Er hatte hervortretende Wangenknochen, eine
markante Nase und schräg stehende schwarze Augen mit erstaunlich langen
Wimpern. Die schwarzen Haare fielen ihm ungebunden bis auf die Schultern. Sie
zweifelte inzwischen nicht mehr daran, daß er eine Art Häuptling sein mußte,
denn er wurde mit Respekt behandelt. Außerdem blieb sein Gesicht unbewegt,
während die anderen lachten und redeten. Er wirkte nicht nur grausam und
brutal, sondern besaß eine seltsame, schneidende Härte. Er hatte Delia zwar das
Leben gerettet, aber sie zweifelte nicht daran, daß er sie im nächsten
Augenblick töten würde, wenn er es wollte.
    Schaudernd blickte sie auf seine Keule mit dem blonden Skalp –
Nats Skalp.
    Der Abenaki sah ihren Blick und hob die Keule. Dann fuhr er mit
den Fingern durch die blutigen Haare und verzog die Lippen zu einem bösartigen
Lächeln.
    »Du feiger, hinterhältiger Hurensohn!«
fauchte sie. Natürlich wußte sie, daß er ihre Beschimpfung nicht verstand. Aber
das war ihr auch nicht wichtig. Bis jetzt hatte sie mit eiserner Willenskraft
in diesem Inferno nur an das Überleben denken können, und erst in diesem
Augenblick wurde ihr richtig bewußt, daß Nat tot war. Der Schmerz traf sie
mitten ins Herz, und sie machte sich bittere Vorwürfe. Beim Abschied hatten sie
sich gestritten. Tildy und Meg würden untröstlich sein, denn jetzt hatten sie
weder Vater noch Mutter.
    Wenigstens sind die Mädchen in Sicherheit,
sagte sie sich.
    Während des überraschenden Angriffs befanden
sie sich im Schutz des großen Backsteinhauses und wurden von Anne unterrichtet.
Das hatte ihnen bestimmt das Leben gerettet ...
    Nach dem Essen rauchten die Indianer eine
Pfeife, die sie stumm kreisen ließen. Eine eigenartige Ruhe senkte sich über
die grell bemalten, schemenhaften Gestalten. Auch Delia beruhigte sich etwas
und mußte unwillkürlich an Tyl denken. Bestimmt war er am Leben und würde sie
retten. Es war nur eine Frage der Zeit. Sie mußte nur erreichen, daß sie und
die beiden anderen Frauen überlebten, bis er sie gefunden hatte.
    Der Tabak machte die Männer am Feuer
schläfrig. Inzwischen wurde es auch immer kälter. Delia warf einen verstohlenen
Blick auf Elizabeth und hoffte, daß ihre Freundin eingeschlafen sei. Aber ihre
Augen standen weit offen und starrten ausdruckslos in die Dunkelheit.
    Sara begann plötzlich, sich hin und her zu
wiegen. Sie wimmerte leise und redete klagend vor sich hin: »Warum bin ich hier
... Daran ist nur Obadia schuld ... Er hat mich mit diesem dämlichen Stuhl zu
den Sewalls geschickt ... Ich wollte nicht gehen ...« Der Indianer, an den sie
gefesselt war, musterte sie mit zusammengekniffenen Augen und schloß die Hand
um die Keule. Sara sah es nicht, sondern jammerte weiter: »Ich habe Nancy noch
nie gemocht ... Ich gönne ihr, daß sie skalpiert wurde ... Ja, ich gönne es ihr
... Aber warum bin ich hier ... Obadia ist ...«
    »Halt den Mund«, zischte Delia ihr zu. »Willst du, daß sie dir den
Kopf spalten?«
    Sara starrte Delia wütend an. »Sie haben
deinen Nat umgebracht ... Sie haben ihn skalpiert ... Er hat es nicht anders
verdient, denn er hat dich geheiratet

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