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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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bringen.
    Sie schluckte beklommen und zupfte Tyler noch
einmal am Ärmel. »Was macht Ihr Großvater jetzt? Ich meine, abgesehen davon,
daß er ein Adliger ist ...«
    »Er ist Sklavenhändler.«
    Als Delia Tyl die Treppe nach oben folgte, warf sie ängstlich
einen Blick über die Schulter zurück auf Frailty, die in der großen Halle
geblieben war. Frailty lächelte ihr aufmunternd zu. Delia lächelte zaghaft
zurück.
    Ein Sklavenhändler, dachte sie schaudernd, Tyls Großvater ist
Sklavenhändler ...
    Jemand, der wie Delia im Armenviertel am Hafen
von Boston aufgewachsen war, kannte das berüchtigte Dreiecksgeschäft, das die
Grundlage vieler Vermögen in Neuengland bildete. Die Schiffe brachten Rum nach
Afrika und im Austausch dafür Sklaven nach Nordamerika. Gegen Molasse und
Zucker wurden die Sklaven in die Karibik verschifft, und Molasse und Zucker
wurden in Boston zu Rum destilliert. Aber nicht alle Sklaven kamen auf die
karibischen Inseln. Einige brachte man hierher nach Neuengland. Viele der
Reichen hatten aus Prestigegründen ein oder zwei schwarze Diener.
    Delia folgte Tyl einen breiten langen Flur entlang, an dessen
Wänden reihenweise Ölporträts hingen, von denen manche dunkel vor Alter waren.
    »Großer Gott«, flüsterte sie ehrfurchtsvoll, »das sind vermutlich
alles Ihre vornehmen Ahnen ...«
    Tyl stieß ein kurzes höhnisches Lachen aus,
sagte aber nichts.
    Am Ende des Gangs klopfte er einmal an eine Tür und trat sofort
ein. Delia verbarg sich hinter seinen Schultern, aber als sie im Raum standen,
blickte sie sich neugierig um.
    Delia hatte Tyls Zimmer im Roten Drachen schon
für prachtvoll gehalten, aber das ließ sich nicht mit dem Luxus hier
vergleichen. An den Wänden schimmerten Seidentapeten. Der Kamin war aus Marmor,
und dicke Teppiche lagen auf dem mit Intarsien geschmückten Fußboden. Es war
überwältigend, und Delia konnte nicht alles auf einmal in sich aufnehmen. In
der Mitte des Raums stand ein riesiges Himmelbett. Vier
geschnitzte Säulen trugen den Baldachin aus grünem Damast. Zum Schutz vor
Stechmücken umgaben hauchdünne, schneeweiße Tüllvorhänge das Bett wie duftige
Wolken.
    Am Fußende saß in einem weiten roten Seidenmantel mit den
passenden dunkelroten Pantoffeln Sir Patrick.
    Er hatte sich vornübergebeugt. Das Gesicht verschwand in einer
großen Papiertüte, und um die Schulter lag ein Tuch. Ein Diener schüttelte aus
einer Kugel Puder auf die Perücke seines Herrn.
    »Tyl, bist du es?« rief der alte Mann mit
krächzender Stimme, die in der Tüte seltsam widerhallte. »Hast du wirklich
geglaubt, du könntest dich ohne mein Wissen einfach davonstehlen?« Er nahm die
Tüte vom Gesicht und warf sie dem Diener zu. »Genug, genug. Na los schon,
verschwinde!«
    Der Diener nahm ihm das Tuch von der Schulter und verließ mit dem
Puder und der Tüte lautlos den Raum, während der Großvater seinen Enkel zornig
anfunkelte.
    »Also?« fragte der alte Mann herrisch. »Was hast du zu deiner Entschuldigung
zu sagen?«
    Delia bemerkte, daß Tyls Lippen bedrohlich zuckten. »Ich war vor
drei Tagen hier, und da hast du mir gesagt, ich soll dir nicht mehr unter die
Augen kommen.«
    »Ja, das stimmt. Aber ich hatte gehofft, du
seist inzwischen zur Vernunft gekommen.« Er drehte sich um und ging zu einem
Toilettentisch. Leise stöhnend beugte er sich vor und betrachtete angewidert
sein Spiegelbild. Er richtete die Perücke und schimpfte: »Den Eigensinn hast du
von deinem Vater geerbt. Die Grahams sind nicht so.« Er drehte sich um und sah
seinen Enkel mit funkelnden Augen an. »Ich warte, mein Junge. Ich warte und
möchte aus deinem Mund hören, daß du deine eigensinnige Meinung geändert hast.
Ich erwarte, daß du in Boston bleibst und die Reederei Graham übernimmst,
so wie ich es schon immer für dich geplant habe.«
    Tyls Lippen wurden schmal. »Dann mußt du warten, bis es in der
Hölle schneit. Ich bin Arzt. Ich möchte Menschen heilen und nicht
verkaufen.«
    Der alte Mann atmete ärgerlich aus, und eine
weiße Puderwolke schwebte wie Schnee auf die Schultern seines langen, weiten
Seidenmantels. Der Anblick des zornigen Mannes, der in dem feuerroten
Seidengewand mitten im Raum stand, erinnerte Delia unwillkürlich an das
feuerspeiende Fabelwesen auf dem Schild des Roten Drachen.
    »Warum stehst du wie ein Trottel an der Tür«, schnaubte Sir
Patrick. »Ich muß dir noch ein paar Dinge sagen, und du wirst mir, so wahr mir
Gott helfe, dies eine Mal zuhören.«
    Der alte Mann

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