Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
Vom Netzwerk:
entschlossen
auf. »Komm, wir müssen uns auf den Weg machen.«
    Er ging, ohne sich noch einmal umzudrehen,
durch die Gaststube zur Tür. Delia hätte in ihrer Hast beinahe den Tisch
umgeworfen, denn sie wollte unter keinen Umständen zurückbleiben. Sie griff
nach dem Sack, drückte die Hand auf den Strohhut und rannte ihm nach.
    »Das nennt er Anstand!« hörte er Delia in seinem Rücken leise
schimpfen. »Er und seine guten Manieren!«
    Tyl hätte beinahe laut aufgelacht.
    Delia war noch
nie im Leben so aufgeregt gewesen.
    Sie war ein einziges Mal mit der Fähre über den Fluß zum Jahrmarkt
nach Charles Town gefahren. Das war ein richtiges Abenteuer gewesen. Einmal
war sie mit Tom sonntags in einem Pferdewagen nach Mill Pond zu einem Picknick
gefahren. Aber sie hatte noch nie in einer richtigen Kutsche gesessen.
    Die Kutsche war schwarz lackiert und mit Silber beschlagen. Auf
den Schlägen befand sich sogar ein gemaltes Wappen. Gezogen wurde sie von vier
Rappen. Der große, dunkelhäutige Diener, der Jackie hieß, war in den Roten
Drachen gekommen, um Tyl abzuholen. Er war auf den Rücksitz gestiegen, während
ein zweiter Diener, ebenfalls in schwarzsilberner Livree, auf den Kutschbock
sprang. Delia war Tyl in die Kutsche gefolgt und hatte sich neben ihn auf die
mit feinem Leder bezogene Bank gesetzt. Die Bank war so weich gepolstert wie
ein Sofa.
    Glücklich lehnte sich Delia zurück und strich
den Rock glatt. Dann bemühte sie sich um eine, wie sie glaubte, würdevolle Haltung.
Sie ermahnte sich streng, nicht zu vergessen, sich wie eine richtige Dame zu
benehmen, denn sie fuhr in einer prächtigen Kutsche durch Boston zu Tyls
Großvater.
    Tyl hatte diesen Besuch offenbar nicht
geplant, denn als er mit Delia dicht auf den Fersen durch die Eingangshalle des
Roten Drachen ging, tauchte plötzlich hinter einer Säule der Kopf eines dunkelhäutigen
Mannes mit einer riesigen gelben Perücke auf. An einem schwarzen Ohr baumelte
eine silberne Schuhschnalle als Ohrring. Der Schwarze blickte sich mit großen
braunen Augen suchend in der Empfangshalle um.
    Tyl blieb wie angewurzelt stehen. Delia wäre
beinahe gegen ihn gerannt. Dann rief er laut: »Jackie ... was zum Teufel willst
du hier?«
    Die großen braunen Augen richteten sich auf Tyl, und er lachte. Er
kam hinter der Säule hervor. Der Mann trug eine schwarzsilberne Livree und
hatte um den Hals einen silbernen Sklavenring.
    »Da sind Sie ja, Master Tyler. Ich bin mit der Kutsche gekommen,
um Sie abzuholen. Ihr Großvater will Sie unbedingt sprechen. Er ist, unter uns
gesagt, in übelster Laune. Er ist so schlecht gelaunt, daß er am liebsten
seinen Hund beißen würde.«
    »Verdammt noch mal!« rief Tyler.
    Delia
hätte Dr. med. Tyler W. Savitch eigentlich gern darauf aufmerksam gemacht, daß
sich Fluchen für einen kultivierten Herrn nicht schickt. Doch sie unterließ es.
Hinter seinem gepflegten, beherrschten Äußeren spürte sie eine gefährliche,
beinahe ungezügelte Wildheit. Und sie kannte ihn wirklich nicht gut genug, um
seine Selbstbeherrschung auf die Probe zu stellen. Deshalb begnügte
sie sich im Augenblick damit, das weiche Polster zu betasten und den kräftigen
Ledergeruch einzuatmen. Sie kamen nur langsam vorwärts, denn Fuhrwerke, Karren
und Ochsengespanne versperrten ihnen den Weg. Tyl starrte finster und
schweigend auf die Straße.
    Delia konnte immer noch nicht an ihr großes
Glück glauben: Tyl hatte beschlossen, sie mit zu seinem Großvater zu nehmen. Sie
wußte, zuerst hatte er es nicht vorgehabt, denn er hatte sich umgedreht und
ihr sehr ungnädig befohlen, auf ihn zu warten. Aber plötzlich sah sie ein
spöttisches Funkeln in seinen dunkelblauen Augen.
    »Warum eigentlich nicht!« rief er und lachte kalt. »Ich werde dich
mitnehmen. Ja, bei Gott, genau das werde ich tun! Ich möchte sehen, was für ein
Gesicht er macht.«
    Delia beglückwünschte sich jetzt, daß sie
sich trotz der Kälte an dem öffentlichen Brunnen gewaschen hatte. Dazu mußte
sie natürlich trotz der Kälte, um alleinzusein, in aller Frühe in ihrem dünnen
Unterhemd zum Gemeinschaftsbrunnen gehen. Sie konnte von Glück sagen, daß
niemand sie gesehen hatte, sonst wäre sie möglicherweise noch beschuldigt
worden, sich in der Öffentlichkeit sittenwidrig zu verhalten. All das hatte sie
auf sich genommen, nur um ihm zu gefallen. Natürlich hatte er überhaupt
nicht bemerkt, daß sie frisch gewaschen im Roten Drachen erschienen war. Statt
dessen hatte er sie beschimpft,

Weitere Kostenlose Bücher