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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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ungläubig an. »Ich?«
Vorsichtig blickte sie sich um, als stehe jemand hinter ihr. »Aber Tyl, ich
kann überhaupt nicht schießen.«
    »Dann wirst du es lernen.« Er drehte sich um und sagte dann: »Sie
auch, Reverend.«
    Caleb zuckte zusammen und wechselte einen erstaunten Blick mit
seiner Frau. Dann stand er auf und kam zu ihnen herüber.
    Er räusperte sich. »Ich muß gestehen, ein solches Können ist dort,
wohin wir gehen, bestimmt nützlich. Ich meine ... zum Jagen und ...« Er räusperte sich noch einmal und erklärte dann in aller
Form: »Aber ich könnte niemals auf einen Menschen schießen, Tyl, auch nicht auf
einen Indianer.«
    Tyl sah ihn ungläubig an. Er konnte verstehen, daß es jemandem
schwerfiel, einen Menschen zu töten. Aber die Kirche, die Caleb vertrat,
erklärte immer wieder, gegen die Bedrohung durch die heidnischen Indianer helfe
nichts anderes, als sie gnadenlos abzuschlachten. Schließlich hatten die
Siedler und nicht die Indianer die grausame Angewohnheit des Skalpierens als
Beweis für den Tod eines Feindes erfunden. Das Schatzamt in Boston zahlte noch
immer zehn Pfund Belohnung für jeden Abenaki-Skalp, obwohl zwischen den
Engländern und den Abenaki auf dem Papier seit ein paar Jahren Frieden
herrschte.
    Natürlich gab es so etwas wie »Frieden« nicht. Das lag vor allem
daran, daß Frankreich und England ständig übereinander herfielen und ihre
Schlachtfelder in die Neue Welt verlegten, wobei sich jede Seite bemühte, die
Indianer zu ihren Verbündeten zu machen. Die französischen Jesuiten zum
Beispiel ermunterten die Abenaki, die bereits empört und verunsichert waren,
weil die englischen Siedler ihnen die alten Jagd- und Fischgründe streitig
machten, immer und immer wieder, die Weißen in Maine zu bekämpfen. Die
Überfälle der aufgewiegelten Indianer, die grausame Folterung der Gefangenen,
das Töten von Kindern und Frauen löste bei den Siedlern verständlicherweise
blutige Rachegefühle aus.
    Es war ein Teufelskreis von Krieg und Tod, in
dem sich die Kolonien bereits seit mehr als fünfzig Jahren verstrickten. Die
puritanische Kirche von Neuengland war dabei eine der treibenden Kräfte.
    Tyl konnte nicht glauben, daß der fromme und harmlose Caleb Hooker
ein Heuchler und so scheinheilig wie ein Jesuit sein sollte.
    »Ich denke, das Töten von Indianern ist ein Gebot Ihrer Religion,
Reverend?«
    Caleb hob stolz den Kopf und reckte das Kinn. »Mein Gewissen steht
über jeder Religion!«
    Tyl blickte ins Feuer und sagte nach einer Weile: »Aber Sie haben
auch eine Frau, Caleb.« So leise, daß Elizabeth es nicht hören konnte, fügte
er hinzu: »Haben Sie schon einmal gesehen, wie eine Frau aussieht, die
skalpiert worden ist?«
    Caleb wurde plötzlich aschfahl, und Tyl bedauerte es, so brutal
sein zu müssen. Aber wenn die Hookers in der Wildnis leben wollten, dann
mußten sie lernen, dort zu überleben.
    »Wenn Ihnen dieser Gedanke unerträglich ist,
Reverend«, fügte er nach kurzem Schweigen hinzu, »dann rate ich Ihnen, sich, so
gut Sie können, vorzubereiten, damit Sie etwas Ähnliches niemals sehen müssen.
Und wenn Sie jemals von Indianern angegriffen werden, dann sollten sie besser
in der Lage sein, die Angreifer zu töten, bevor Sie selbst ... oder Elizabeth
getötet werden.«
    Caleb zitterte leicht, aber er nickte langsam. »Also gut, ich sehe
ein, daß Sie recht haben.«
    Elizabeth richtete sich bei seinen letzten Worten empört auf und
rief: »Aber Caleb, du wirst doch nicht ...«
    »Ich werde, Lizzie«, erwiderte er entschlossen. »Es ist als Selbstschutz
notwendig, Liebste. Die Indianer ...«
    »Aber der Indianer am See war friedlich ...« Sie starrte mit weit
aufgerissenen Augen auf die dunklen Bäume. »Doktor, Sie haben mir versichert,
daß dieser Indianer keine bösen Absichten hatte ...«
    »Ja, das stimmt, Mrs. Hooker. Aber wer sagt uns, daß der nächste
ebenso freundlich und friedlich ist?«
    Tyl stand auf und ging zu einem etwa fünfzig
Schritte entfernten Baum. Dort befestigte er die Zielscheibe in einer
Astgabel. Als er zurückkam, hob er das Gewehr auf, das neben dem Baumstamm lag.
Elizabeth stand inzwischen neben ihrem Mann und hatte ihm die Hand auf den Arm
gelegt. Sie blickte mißbilligend auf Tyl, weil er offenbar Calebs Grundsätze
untergrub.
    Tyl beachtete sie nicht. Er sah Caleb und Delia eindringlich an
und sagte: »Paßt gut auf, wie man das macht. Man muß ein Gewehr sowohl laden
als auch schießen können. Und wenn fünfzig Indianer

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