Penelope Williamson
krampfartigen Wehen kamen und gingen.
Die Zeitungen, die sie zwischen Brias Körper und das Bettuch gelegt hatten,
waren inzwischen durchtränkt von wäßrigem Blut. Das Zimmer war erfüllt von
einem starken Geruch, der an verdorbenes Obst erinnerte.
Aber das
Kind kam nicht.
Das Warten darauf, daß das
alles zu Ende sein würde, und die Angst, es werde schlecht enden, wurden in
Emmas Kopf zu einem anhaltenden Schrei.
Endlich,
endlich hörte sie Shay sagen: »Wenn du jetzt ein kleines bißchen fester pressen
könntest, Liebling. Der Kopf ist schon zu sehen.«
Bria
versuchte schnaufend und keuchend, sich auf die Ellbogen zu stützen, als wollte
sie zwischen ihre Beine blicken, um zu sehen, was dort vor sich ging. »Emma,
sag mir ... welche Farbe haben seine Haare?«
Emma
blickte zwischen Brias Schenkel. Der Kopf des Kindes kam tatsächlich aus dem
Leib hervor. Es war der Kopf eines richtigen Babys mit Haaren, mit Haut und
Adern, er war naß von Schleim und Blut, und er bewegte sich. Emma hatte noch
nie etwas so Ehrfurchteinflößendes, Erschreckendes und Schönes zugleich gesehen.
»Ich glaube, sie sind rot. Sie
sind rot und lockig, und es sind viele ... O Bria, das Kind wird deine Haare
haben!«
Bria sank
lachend und keuchend zurück in die Kissen. »Ach, der arme Kleine ... kommt auf
die Welt und ist mit so etwas geschlagen.« Emma beobachtete staunend und
ehrfürchtig, wie das Kind aus dem Leib der Mutter hervorkam – zuerst der Kopf,
dann eine Schulter und ein Arm, und dann war es plötzlich ganz da und glitt in
die wartenden Hände seines Vaters, während Emma lachte und weinte und die
beiden mit schmerzlicher Freude ansah.
Und dann
machte Brias Sohn quäkend seinen ersten Atemzug. Bria lag so entkräftet in dem
weißen Eisenbett, daß es aussah, als sei sie kleiner geworden. Die Haare
klebten ihr in nassen Strähnen am Kopf. Ihr leichenblasses Gesicht war von
Erschöpfung gezeichnet. Doch als sie bewegungslos zu ihrem Mann und dem
Neugeborenen aufblickte, brannte in ihren Augen immer noch das ganze Feuer
ihrer Liebe.
»Hat er alles, so wie es sich
gehört, Shay?« fragte sie, und die Stimme paßte zum Ausdruck ihrer Augen.
Er strahlte über das ganze
Gesicht, und es war wie warmer Sonnenschein. Obwohl das Lächeln nicht ihr
galt, berührte es Emma in der Seele und öffnete ihr Herz.
»Er ist die verkörperte
Vollkommenheit, Liebes. Du hast mir einen schönen Sohn geschenkt.«
»Zeig ihn
mir, zeig ihn mir... Nein, warte. Gib ihn zuerst Emma.«
»0 nein,
ich sollte nicht ... Ich könnte ihn fallenlassen!« rief Emma. Doch Shay legte
ihr das Neugeborene bereits in die Arme. Es war naß vom Blut, seine Haut war
bläulich und runzelig, und das winzige Gesicht war zusammengeknüllt wie ein
Taschentuch. »Oje«, flüsterte sie, und die Tränen liefen ihr über das lächelnde
Gesicht.
Mit
zitternden Armen legte sie das Neugeborene unendlich behutsam an die Brust
ihrer Freundin. Bria verzog den Mund zu einem Lächeln, das zuerst ihrem Mann
und dann Emma galt und schließlich die ganze Welt einschloß.
»Er ist so schön«, murmelte sie.
Shay ging neben dem Bett auf
die Knie. Er beugte sich vor und legte sein Gesicht neben seinem zappelnden
Sohn auf die Brust seiner Frau. »0 Liebling, Liebling ...«
Langsam stand Emma vom Stuhl
auf und ließ die beiden mit ihrem Sohn und ihrer Liebe allein.
Die Mädchen saßen zusammen auf der Treppenstufe vor dem
Haus. Merry hatte den Kopf in den Schoß ihrer Schwester gelegt und schlief. Sie
wachte nicht auf, als Emma die Tür öffnete. Noreen blickte hoch, und in ihren
Augen kämpften Angst und Hoffnung.
»Ihr habt
einen kleinen Bruder, und eurer Mutter geht es gut«, sagte Emma. Ihre Stimme
klang fremd, zu steif und förmlich in ihren Ohren. Sie versuchte, den Mund zu
einem Lächeln zu öffnen. »Aber ihr solltet ein paar Minuten warten, bevor ihr
hineingeht. Euer Papa muß ihn für Besucher zuerst hübschmachen.«
Sie ging
an den beiden vorbei zur Straße. Doch als sie den Milchwagen sah, wurde ihr
klar, daß niemand da war, der sie nach Hause bringen würde. Deshalb ging sie um
das Haus herum und hinunter zum felsigen Kiesstrand.
Das Mondlicht über der Bucht
war müde. Die Flut schlief, gefangen zwischen der alten Nacht und dem neuen
Tag. Emma stand allein am Wasser. Es war so still, daß sie nur das
Meeresrauschen ihres eigenen Herzens hörte.
Die
Morgendämmerung begann gerade, die Dunkelheit am Himmel aufzusaugen, als sie
auf den Felsen in ihrem Rücken
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