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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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den Fingern durch die Haare. »Die schweren Wehen haben gerade
erst eingesetzt, aber Bria ist nicht eine der Frauen, die sich viel Zeit nimmt.
Also kommen Sie oder kommen Sie nicht?«
    »Aber sollten wir nicht ...«
Sie zögerte beklommen. »Mein Onkel ist heute abend hier. Er ist Arzt und ...«
    Er faßte sie am Arm – direkt
über der perlenbesetzten Stulpe ihres Abendhandschuhs, als wollte er sie daran
hindern, sich umzudrehen und ins Haus zu gehen, obwohl sie sich nicht bewegt
hatte. Seine Hand war rauh und schwielig.
    »Kein Arzt«,
sagte er. »Bria hat Sterbensangst vor Ärzten und braucht nicht noch mehr
Aufregung. Sie glauben doch nicht, ich
    wäre sonst
hier, um Sie zu holen! Denken Sie, ich wäre gekommen, wenn es nicht darum
ginge, meine Bria glücklich zu machen?« Er ließ sie los und trat einen Schritt
zurück. »Aber wenn Sie sich die Mühe nicht machen wollen, dann sagen Sie es
einfach, und ich gehe.«
    »Erwarten
Sie, daß ich die drei Meilen mit Ihnen zu Fuß gehe, oder können wir auch meinen
Wagen nehmen? Er hat allerdings kein Wappen am Schlag. Sie müßten also damit
vorliebnehmen.«
    Sie glaubte zu sehen, daß er
beinahe lächelte. Besser gesagt, daß er daran dachte zu lächeln.
    »0 Dhia, was sind Sie
doch für eine seltsame kleine Miss. Immer dann, wenn ich glaube, Sie ...« Er
brach ab und schüttelte den Kopf.
    »Ich bin
nicht hierher gerannt. Ich habe mir von Paddy O'Donahue den Milchwagen
geliehen. Der Wagen wartet vor Ihrem Schloßportal, Miss Tremayne«, sagte er und
hielt ihr die Hand entgegen.
    Sie reichte
ihm ihre Hand, und sie gingen zusammen die Stufen hinunter. Emma hatte nicht
gewußt, daß es so intim sein konnte, wenn man sich beim Gehen an den Händen
hielt. Wie war es möglich, daß man dabei zitterte, daß das Herz schneller
schlug und man keine Luft mehr bekam?
    Am unteren
Ende der Treppe fragte er: »Schaffen Sie es vielleicht doch, ein klein wenig zu
rennen?« Und dann liefen sie Hand in Hand über die zerstoßenen Venusmuscheln
der Auffahrt und durch das verschnörkelte schmiedeeiserne Tor, vor dem ein
Milchwagen wartete.
    Der Wagen
roch nach saurer Milch und war voller leerer Flaschen, die in ihren
Metallgestellen klapperten, als sie über die holprige Straße rollten. Er
knallte mit der Peitsche und trieb das Pferd an, als sei er von allen Furien
gejagt.
    In der
Dunkelheit des geschlossenen Wagens atmete sie mit klopfendem Herzen seinen
Geruch ein, obwohl sie es sorgsam vermied, ihn zu streifen oder in irgendeiner
Weise zu berühren. Sie glaubte, er müsse hören können, wie ihr Herz für ihn
schlug, doch alles andere konnte sie verbergen. Das Leben hatte sie gelehrt, alles mit großer
Meisterschaft zu verbergen.
    Der Wagen schwankte, als er zu
schnell um die Ecke der Hope Street bog. Emma klammerte sich am Sitz fest. Das
gerüschte Chiffonabendkleid raschelte wie trockenes Gras im Wind. Sie
überlegte, was man normalerweise zum Anlaß einer Geburt trug ...
    Emma strich den Rock glatt, der
dabei noch mehr knisterte. Sie umfaßte ihre Ellbogen, denn sie fror plötzlich.
    Er drehte den Kopf und sah sie
an. Sein Gesicht war weiß vom grellen Licht einer Straßenlaterne. »Sie müssen
nichts tun, wissen Sie. Die Hebamme wird dasein.«
    Sie holte
Luft, schluckte und nickte.
    Der Wagen
schwankte, die Milchflaschen klapperten, und Brias Mann sagte: »Zwei Wochen
lang kommen Sie beinahe jeden Tag
    zu ihr, so regelmäßig wie der
Kuckuck einer Kuckucksuhr erscheint. Und dann sind Sie plötzlich verschwunden.
Glauben Sie, das hat Bria nicht gemerkt?«
    Emma
schluckte wieder und holte Luft. »Ich war beschäftigt.«
    »Ach so!
Waren Sie das? Bria war auch beschäftigt. Sie war damit beschäftigt zu sterben.«
    Heiße,
salzige Tränen brannten in Emmas Augen. Sie wandte den Kopf ab und blickte in
das Dunkel der vorbeiziehenden Nacht. Doch als er unter der schiefen
Straßenlaterne vor dem Haus in der Thames Street anhielt, streckte er den Arm
aus, faßte sie am Kinn und drehte ihr Gesicht dem weißen Licht zu, das aus der
zersprungenen Glaskugel der Lampe drang. Sie spürte die Tränen naß auf ihren
Wangen. Es war ihr nicht gelungen, sie zurückzuhalten.
    Er sagte nichts. Er sah sie nur
an, ließ sie los und sprang vom Wagen. Er stützte mit der Hand ihren Ellbogen
und half ihr beim Aussteigen. Dann drehte er sich um und ging den Pfad entlang
zum Haus, ohne darauf zu warten, daß sie ihm folgte.
    Noreen saß
auf der Treppe. Sie hatte die Arme um die Knie geschlungen und die

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