Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
Vom Netzwerk:
Juni und am letzten Augusttag. Diese Tradition hatte
ihren Anfang im Jahr 1792 genommen. Danach hielt jeder Alcott sich daran und
versuchte, das Ereignis noch prunkvoller und opulenter zu gestalten als sein
Vorgänger. Die Gärtner der Alcotts hatten sich in diesem Jahr selbst
übertroffen. Sie zauberten ein Kaleidoskop von zahllosen Blüten, die sich im
leichten Wind wiegten und das ganze Anwesen in paradiesische Düfte hüllte. Emma
überließ sich dem Rausch der leuchtenden Farben und spazierte beglückt um den
Marmorspringbrunnen mit den verspielten Amoretten. Sie atmete tief die saubere
Luft ein, in die sich ein ganz leichter würziger Salzgeruch mischte. Um den
Genuß vollkommen zu machen, drehte sie spielerisch den Sonnenschirm in den
Händen, legte den Kopf in den Nacken und ließ die Sonne wie nährendes Öl in die
Haut eindringen.
    Der Sonnenschirm wurde ihr
plötzlich aus der Hand genommen und wieder so gehalten, wie es sich gehörte,
damit er die verhängnisvollen bräunenden Strahlen von ihrer zarten Haut
abhielt.
    »Du meine Güte, Kind!« rief Bethel.
»Was machst du schon wieder? Du hast deinen Teint für diesen Sommer bereits
ruiniert. Aber es besteht kein Grund, dem Schaden auch noch schlechtes Benehmen
hinzuzufügen. Und das ausgerechnet auch noch hier!«
    Emma hatte wieder die Kontrolle
über ihren Sonnenschirm und legte ihn leicht über die von lila Tüll und Spitze
bedeckte Schulter. »Entschuldigung, Mama. Ich werde mich bemühen, mich besser
in acht zu nehmen.«
    Ihre
Mutter sah sie zweifelnd an und seufzte. »Du bist eine Prüfung für mich, Emma.
Alle meine Kinder waren für mich schwere Prüfungen.«
    Das Wasser
im Springbrunnen plätscherte so hell wie silberne Glöckchen. Die Melodie
verband sich harmonisch mit den Tönen von Claire de Lune, die vom
Streichquartett im Pavillon herüberdrangen. Später würde man Tennis spielen und
mit dem Bogen schießen, doch für den Augenblick schlenderten die Gäste
zufrieden durch den Garten oder aßen von den Köstlichkeiten, die auf Tischen
mit Damasttischdecken in einem an einer Seite offenen, blaugestreiften Zelt
vor den Sonnenstrahlen geschützt standen.
    Als die beiden an dem Zelt mit
seinen verlockenden Speisen vorbeigingen, blickte Bethel hinein. Sie verzog
das Gesicht in einer Mischung aus Sehnsucht und Abscheu, als seien die pâté
de foie gras, die eisgekühlten Austern in den geöffneten Schalen, die
Meringuen mit Erdbeeren und Schlagsahne grausame Liebhaber, nach denen sie
schmachtete, aber vor denen sie sich auch fürchtete.
    Emma fand,
daß ihre Mutter an diesem Sommertag in ihrem blaßbeigen, mit vielen Metern cremefarbener
Spitze besetzten Satinkleid wirklich jung und hübsch aussah. Doch es ging eine
lähmende Erschöpfung von ihr aus, als befände sie sich am Rand einer Ohnmacht.
    »Mama«,
sagte Emma, »weshalb erlaubst du mir nicht, dir einen Teller mit ein paar Kleinigkeiten
zu holen? Vielleicht etwas Hummersalat?«
    Ihre
Mutter lehnte den Vorschlag schaudernd ab. »Emma, manchmal habe ich wirklich
das Gefühl, es macht dir Spaß, mich zu quälen! Du weißt, wenn ich mich diesem
schrecklichen Zelt auch nur auf fünf Meter nähere, bin ich morgen nicht in der
Lage, mich in meine Unaussprechlichen zu zwängen, ohne daß Jewell zum Schnüren eine
Kurbel benutzen muß. Und da wir jetzt wissen, daß dein Vater zur Hochzeit
kommt, will ich ihn nicht enttäuschen. Er soll stolz darauf sein, mich an
seiner Seite zu haben.«
    Emma schob ihren Arm unter den
Arm ihrer Mutter und lehnte sich an sie – die einzige Art von Umarmung, die sie
wagte.
    »Er wird stolz sein, Mama, da
bin ich sicher.« Doch während sie das sagte, zweifelte sie an ihren Worten. Sie
glaubte daran, daß ihr Vater zu der Hochzeit kommen werde, doch sie war auch
sicher, daß er sie wieder verlassen würde.
    Was geschieht, dachte sie, wenn
man nur für einen bestimmten Augenblick lebt, der kommt und geht, und man
stellt hinterher fest, daß sich nichts geändert hat?
    Sie
drückte sanft den Arm ihrer Mutter. »Aber bis zur Hochzeit ist es noch so lange
hin, und du bist jetzt schon so dünn wie ein Strich.«
    »Unsinn!
Du übertreibst wieder einmal. Siehst du, da kommt Mr. Alcott. Bestimmt möchte
er, daß du seiner Großmutter deine Aufwartung machst.« Sie seufzte schwer. »So
eine Krankheit ist wirklich schlimm und eine Last. Ich spreche von Mrs. Alcott,
natürlich nicht von deinem reizenden und kerngesunden Zukünftigen.« Als Emma
noch einmal sehnsüchtig zu dem

Weitere Kostenlose Bücher