Penelope Williamson
Brunnen im Garten blickte, fügte Bethel
aufmunternd hinzu: »Ich weiß, die Pflicht ist manchmal nicht leicht, mein
Liebes.« Dann machte sie Anstalten, sich taktvoll zu entfernen, um ihre Tochter
den Aufmerksamkeiten ihres Verlobten zu überlassen. Sie blieb aber noch einmal
stehen. »Aber man muß sie mit Anmut und einem fröhlichen Lächeln erfüllen.«
Doch das
Lächeln, mit dem Emma Geoffrey entgegensah, der auf einem von Terracotta-Töpfen
mit rubinroten Kamelien gesäumten Pfad auf sie zukam, war nicht gespielt. Er
sah in seinem gestreiften Jackett und der roten Schleife sehr gut aus.
»Emma«,
sagte er, griff nach ihrer Hand und führte sie an seine Lippen. Seine
leuchtenden Augen verrieten, daß er wirklich glücklich war. Er hatte zwar den
größten Teil des Sommers in Maine verbracht, doch bei den Tremaynes wurde jeden
Morgen eine wunderschöne weiße Rose für sie abgegeben. Begleitet war sie immer
von derselben Botschaft in seiner eleganten Handschrift. »Ich bin verzweifelt
darüber, daß ich nicht bei Dir sein kann.«
»Wenn du
kommst, um mich zum Tennisspielen zu überreden, Geoffrey, dann muß ich dich
warnen. Ich werde nicht spielen. Die Schläger, die du mir leihst, scheinen
nämlich allesamt Löcher in der Bespannung zu haben.«
Er lachte
und hielt ihre Hand noch einen Augenblick länger, bevor er sie losließ. »Du
mußt mit mir zu Großmama gehen und ihr gestehen, daß du beim Tennis eine
Versagerin bist, denn sie behauptet immer, du seist in allen Dingen die
Vollkommenheit in Person.«
Emma wußte,
Mrs. Alcott hatte so etwas nie im Leben behauptet. Doch sie bedankte sich für
das formvollendete Kompliment ihres Verlobten mit einem reizenden Lächeln.
Geoffrey führte sie zur rückwärtigen Veranda, wo seine
Großmutter inmitten von Farnen und Palmen in einem großen Korbsessel saß. Sie
war trotz der Wärme in ein Schultertuch aus Kaschmir gehüllt, und ihre Hand
zitterte leicht, als sie die Lorgnette an die Augen hob. Sie musterte Emma
eingehend und erklärte dann ohne Umschweife: »Ich habe heute morgen Prudence Dupres
in der Zeitung gefunden. Tot, und dabei war die Arme erst achtundsiebzig!
Wieder einmal eine Frau, die der Tod in der Blüte ihres Lebens dahingerafft
hat.« Emma und Geoffrey lächelten verstohlen und nahmen in den Sesseln neben
der alten Dame Platz. Im Sommer hatte es bei den angesehenen Familien von
Bristol erstaunlich wenig Todesfälle gegeben. »Großmama langweilt sich«, hatte
Geoffrey seine Verlobte gewarnt. »Gestern hat sie den Chefredakteur des Phoenix angerufen und sich bitter über die wenigen Nachrufe in seiner Zeitung
beklagt.«
»Es heißt,
sie ist an Wasser im Gehirn gestorben«, fuhr Eunice Alcott fort und runzelte
mißbilligend die Stirn. »Zuerst weigern sie sich tagelang, überhaupt über
Todesfälle zu berichten, und wenn sie dann endlich eine Leiche ausgraben, lügen
sie wie gedruckt. Wasser im Gehirn! Wie kommt es dorthin, frage ich euch? Mir
kann niemand erzählen, Prudence hätte sich angewöhnt, auf dem Kopf zu stehen.
Sie konnte kaum auf ihren beiden Beinen stehen, ohne umzufallen, obwohl das mehr
mit dem Sherry zu tun hatte, an dem sie heimlich regelmäßig nippte. Aber
das ist jetzt nicht mehr wichtig. Ich weiß, sie ist an gebrochenem Herzen
gestorben.«
»Ich wußte nicht, daß es bei
Mrs. Dupres in letzter Zeit eine Tragödie gegeben hat«, sagte Emma.
Die alte Dame beugte sich vor,
um Emma ins Ohr zu flüstern. Da sie jedoch taub war, sprach sie so laut, daß
ihre Stimme weithin schallte. »Mr. Dupres hatte einen Monat vor der Hochzeit
eine Affäre mit einem leichten Mädchen vom Varieté.«
»Großmama ...« Geoffrey
schüttelte den Kopf. »Dieser Skandal liegt über sechzig Jahre zurück. Der Mann
hat den Seitensprung mehr als wiedergutgemacht. Er wurde Vater von sechs
Kindern und hatte siebenundzwanzig Enkelkinder.«
Mrs. Alcott schlug Emma mit ihrem Elfenbeinfächer leicht
auf den Arm. »Alles Unsinn! Ich sage, das kommt davon, wenn man unter seinem
Stand heiratet ... ein gebrochenes Herz und ein früher Tod.«
»Ich wußte nicht, daß Mr. Dupres ...«
»Er war Franzose, meine Liebe. Das sagt doch eigentlich alles! Wir haben Prudence gewarnt und
ihr prophezeit, es werde ihr eines Tages leid tun!« Sie richtete sich
triumphierend auf. »Und jetzt ist es so gekommen. Sie steht in der Zeitung –
gestorben an gebrochenem Herzen.« Die alte Dame seufzte, kniff die Augen
zusammen und starrte auf die Linden, die sich leicht im Wind
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