Penelope Williamson
wissenden Blick, und in diesem Augenblick klickte etwas
in Emma. Sie sprang vom Stuhl auf und schrie sie an: »Ich bin nicht verrückt!
Ich bin nicht ..., ich bin nicht ..., ich bin nicht verrückt!«
Die Oberschwester stürmte ins Zimmer, gefolgt von zwei
Pflegern. Sie steckten Emma in eine Zwangsjacke und schleppten sie hinaus,
während Emma immer weiter schrie: »Ich bin nicht verrückt!«
»Das bedeutet Nummer zwölf für dich, du Luder«, zischte
die Oberschwester.
Man steckte sie in eine Zelle,
die nicht größer war als Emmas Kleiderschrank zu Hause, und setzte sie auf
einen Hocker. Die Zwangsjacke war mit Karabinerhaken versehen, an denen die
Männer Ketten befestigten, die in einem Ring im Steinfußboden zusammenliefen.
Auf diese Weise konnte sie sich weder auf dem Boden ausstrecken noch aufrecht
stehen.
Die Oberschwester warf die
Eisentür mit einem lauten Knall zu, und der Schlüssel drehte sich knirschend im
Schloß. Das letzte, was Emma sah, bevor Kälte und Dunkelheit sie umgaben, waren
die Augen der Oberschwester, die durch eine Luke spähte, die danach ebenfalls
geschlossen wurde.
Emma schrie.
Sie
schrie, rasselte mit den Ketten und versuchte, sich aus der Zwangsjacke zu
befreien. Sie wand sich, spannte die Muskeln an, verbog die Knochen. Sie schrie
und schrie und schrie, ohne sich dessen bewußt zu sein ... bis die Eisentür
aufgerissen wurde, und ihr jemand einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht schüttete.
Emma saß naß und zitternd in der Dunkelheit und flüsterte immer wieder: »Ich
bin nicht verrückt, ich bin nicht verrückt!«
Dann dachte sie, die Oberschwester will mich verrückt
machen. Deshalb verstummte sie und wagte sogar nicht mehr zu flüstern. Doch die
Schreie waren immer noch da. Sie stauten sich in ihr auf, und ihr Entsetzen war
wie etwas Wildes, Wahnsinniges. Es war so wahnsinnig, daß sie nur einen Schrei
hätte ausstoßen müssen, um nicht mehr aufhören zu können. Sie hätte geschrien
und geschrien, bis sie über dem Schreien wirklich den Verstand verloren hätte.
Als die Oberschwester kam, um sie abzuholen, fragte sie Emma: »Wirst du dich
benehmen?«
Emma starrte gedemütigt und
gebrochen auf den Boden und erwiderte mit einer dünnen, zittrigen Stimme, die
sie nicht als die eigene erkannte: »Ja, Schwester.«
»Du wirst essen und trinken,
was man dir gibt, ohne Schwierigkeiten zu machen? Und du wirst alles tun, was
man dir sagt?«
»Ja, Schwester.«
»Dann
kommst du in Halle fünf, solange du dich benimmst. Aber wenn du dich nicht
benimmst, bringen wir dich zurück in die Zelle.«
»Ich werde
mich benehmen.«
Halle fünf lag hinter einer
dicken schweren Tür mit Schnappschlössern. Nur die Oberschwester hatte die
Schlüssel, um auf- und wieder zuzuschließen. Die vielen Schlüssel hingen an
einer geflochtenen Kordel um ihre breite Hüfte und klirrten ständig.
Die Halle
war riesig. Sechs Schlafräume mit jeweils sechs eisernen Betten gingen davon
ab. Entlang der Hallenwände standen Holzbänke, und hoch oben befanden sich
kleine vergitterte Fenster.
Die Halle
war voller Frauen. Manche saßen ruhig auf den Bänken, andere gingen in großer
Erregung auf und ab, fuchtelten mit den Armen, rauften sich die Haare, stöhnten
oder brüllten laut. Manche schrien auch nur innerlich, andere redeten wirr oder
fluchten unanständig. Eine Frau saß festgebunden in einem Rollstuhl. Sie
starrte Emma mit leeren Augen an. Aus ihrem offenen Mund rann der Speichel.
Die
Oberschwester gab Emma einen Schubs und wies auf einen freien Platz auf einer
der Bänke neben einer schmutzigen Frau mir irren Blicken und wirren Haaren, die
in einer Urinpfütze saß. »Setz dich dorthin und benimm dich.«
Emmas dachte, der Boden werde
sich unter ihr auftun, als sie dem herrischen Finger der Schwester folgte. In
der Halle stank es wie nach verdorbenem Obst.
Auf der
anderen Seite der Halle hatte man eine Frau in einer Zwangsjacke auf einer
Bank festgebunden. Sie schlug immer wieder heftig den Kopf gegen die Wand. Ihr
Gesicht war voller blauer Flecken. Emma fragte sich, wie das möglich sei, da
sie doch den Hinterkopf an die Wand schlug.
Doch in
diesem Augenblick trat die Oberschwester zu der Frau hin und versetzte ihr mit
dem Eisenring und den Schlüsseln einen Schlag auf den Mund. Von den
aufgeplatzten Lippen der Frau tropfte Blut.
Die Frau
gab keinen Laut von sich, doch Emma stöhnte. Danach hatte sie Angst, sich zu
bewegen, und blieb still auf der Bank sitzen. Nach langer Zeit, als sie
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