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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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was war mit Miss Emma Tremayne wirklich
geschehen, die in diesem goldgeschmückten Haus als Tochter dieser kalten,
goldgeschmückten Frau lebte? Diese Emma konnte bestimmt, ohne lange überlegen
zu müssen, ein Dutzend kleiner Schaluppen kaufen.
    Er wollte
gehen, als er auf den grauen, verwitterten Bohlen des Bootsstegs einen ihrer
Handschuhe entdeckte. Er bückte sich, hob ihn auf, drückte ihn an das Gesicht
und fuhr mit dem weichen Leder über seinen offenen Mund.
    Er atmete
traurig ihren Duft ein. Shay wollte den Handschuh mitnehmen, ließ ihn aber
doch zurück. In den folgenden Tagen und Wochen wurde er jedoch ihren Duft nicht
mehr los.
    Man gab ihr
Chloralhydrat, damit sie schlief.
    An manchen Abenden weigerte
sich Emma, das schreckliche Mittel einzunehmen. Dann band man sie auf einem
Stuhl fest und zog ihr den Kopf an den
Haaren zurück. Einer der Pfleger beugte sich über sie, preßte ihr ein Knie in
den Bauch und schob ihr gleichzeitig ein Stück Holz zwischen Lippen und Zähne,
um ihr den Mund gewaltsam zu öffnen. Die Oberschwester hielt ihr einen
schwarzen Gummischlauch in die Kehle und flößte ihr das mit abgestandenem
lauwarmen Wasser vermischte Medikament ein.
    Emma konnte nicht schnell genug
schlucken und begann zu würgen. Sie keuchte und rang nach Luft. Ihre Brust
brannte, als das Wasser in ihre Lunge drang, und sie schrie. Sie nahm sich vor
der Folter immer wieder vor, nicht zu weinen, ganz gleich, wie weh man ihr tat,
doch sie weinte jedesmal.
    Denn nachdem
man ihr das Chloralnitrat verabreicht hatte, steckte man sie in einen
>Muff< – zwei Lederfäustlinge, die eine Schnalle miteinander verband. Die
Schnalle war mit einem Haken an einem kräftigen Ledergürtel befestigt, den man
ihr umgelegt hatte. Dann brachte man sie in die sogenannte >Krippe<. Das
war eine Holzkiste, die wie ein Sarg aussah.
    »Auf diese Weise«, so zischte
die Oberschwester und schob den Kopf dabei soweit vor, daß ihr Speichel Emmas
Gesicht traf, »wirst du vielleicht doch noch gutes Benehmen lernen.«
    Dann schloß sie den Deckel, und
Emma lag mit einem Schrei, der sich ihrer wunden Kehle nicht entringen konnte,
so lange im Dunkel, bis das Medikament seine Wirkung tat und sie einschlief.
    Die
Augenlider der Oberschwester waren so groß wie die eines Froschs. Aus ihren
Nasenlöchern und den Ohren wuchsen graue Haare. Emma lernte sie zu hassen und
zu fürchten.
    Doch mehr als die Oberschwester
fürchtete Emma die schaurigen Dinge, die man ihr noch nicht angetan hatte.
Nachts hörte sie Schreie – die Schreie von denen, die offenbar nur noch in der
Raserei die einzige Zuflucht fanden. Diese Schreie klangen, als stammten sie
von den Seelen der Verdammten.
    Nach einer Woche in der Anstalt
brachte man Emma in einen anderen Flügel des großen grauen Steingebäudes. Man
führte sie in ein holzgetäfeltes Zimmer, an dessen Wänden nur Bücherregale
standen. Es hätte sich um die Bibliothek eines der großen Häuser in der Hope Street
handeln können. Dort erwartete sie Onkel Stanton mit einem anderen Mann. Er war
Arzt, wie Onkel Stanton erklärte. Er hatte sich auf Geisteskrankheiten
spezialisiert. Man sagte ihr, sie sei zu ihrem eigenen Besten in die Anstalt
gebracht worden, damit sie von ihrem >leicht erregbaren Wesen< geheilt
würde.
    Die Kratzer, die sie am Abend
des Sturms dem Gesicht ihres Onkels zugefügt hatte, als er ihr eine Injektion
in den Arm gab, waren immer noch nicht völlig verheilt. Am Morgen danach war
sie an diesem Ort aufgewacht.
    Emma setzte
sich auf ihre Hände, damit die beiden nicht sahen, wie sehr sie zitterten, und
preßte die Knie zusammen. »Bring bitte Mama für einen Besuch hierher«, sagte
sie zu ihrem Onkel. Emma sah, wie sich etwas in seinen Augen veränderte, bevor
er den Blick abwandte. Sie dachte, Mama weiß nicht, um was für eine Anstalt es
sich hier handelt. Mama hätte mir das niemals angetan, wenn sie es wüßte. »Es
ist besser für Sie, wenn Ihre Mutter Sie eine Zeitlang nicht besucht«, erklärte
der Arzt, dessen Spezialgebiet die Geisteskrankheiten waren. »Es erleichtert
die Heilung, wenn die Patientin von allem Vertrauten völlig abgeschnitten ist.
Wir halten es für erforderlich, daß die Patientin völlig aus der Umgebung
entfernt wird, die zu ihrer Erregbarkeit geführt hat.«
    »Das ist eine Anstalt für
Verrückte«, sagte Emma. Sie gab sich alle Mühe, ihre Stimme ruhig klingen zu
lassen ..., normal. »Und ich bin nicht verrückt.«
    Die beiden
Ärzte tauschten einen

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