Penelope Williamson
Gegenteil, er hatte sie sogar erwartet.
Doch als er sie ausgesprochen hörte, stieg in ihm ein so heftiger, bitterer
Zorn auf, daß er im ersten Augenblick nichts erwidern konnte.
»Wie mein Anwalt Ihnen erklärt
hat«, fuhr Emmas Mutter fort, »bin ich bereit, Ihnen eine gewisse Summe zu
zahlen, damit Sie sich an einem anderen Ort niederlassen und für immer aus
unserem Leben verschwinden. Aber ich warne Sie, Sir, wir werden nicht zulassen,
daß Sie uns erpressen.«
»Ach, das
werden Sie nicht?« erwiderte er übertrieben erstaunt und blickte sich mit den
großen fragenden Augen eines Jungen aus Gortadoo, dem der Torf noch an den
Schuhen klebt, im Zimmer um, als versuche er, den Wert der Einrichtung zu
schätzen. »Da kommt gestern ein Mann zu mir, der ein Esquire an seinen
Namen gehängt hat, und bietet mir tausend Dollar, wenn ich verschwinde und
keiner Menschenseele verrate, daß ich Miss Emma Tremayne jemals gesehen oder
auch nur von ihr gehört habe. Ich sage mir also, man hat uns entdeckt, und
dabei habe ich ihr immer prophezeit, daß genau das geschehen würde. Und ich
denke, ich werde dem Esquire nicht auf die Fresse schlagen, wenn er nur
sein Geld nimmt und verschwindet.«
Shay trat
nahe genug an sie heran, um sie durch seine Größe einzuschüchtern. »Aber dann
sagt mir dieser Esquire, sie ist zu einem kleinen Besuch bei Verwandten
geschickt worden, die in einem prächtigen Haus in Georgia leben. Und deshalb
sage ich mir, sie ist schwanger. Und wenn das so ist, dann nehme ich sie und
das Kind, und zum Teufel mit ihrem vornehmen Haufen.«
Er kam noch einen Schritt
näher, und die Frau sank auf ihrem Wunderstuhl zusammen.
»Ist sie deshalb auf diese
Plantage geschickt worden? Ihre Tochter hat mir gegenüber diese Verwandten nie
erwähnt.«
Der
vollkommene Rosenknospenmund der Frau zuckte und verzog sich zu einem nervösen
Lächeln. »Wollen Sie andeuten, daß Sie beide tatsächlich miteinander geredet haben? Ich hatte den Eindruck ...« Sie machte mit ihrer weißen
zerbrechlichen Hand eine unbestimmte Bewegung. »Nun ja, das macht nichts. Es ist
kein Kind zu erwarten, und dafür sollten Sie beide Gott dankbar sein, der die
Narren beschützt, welcher Gott das auch immer sein mag. Und meine Tochter ist
auch nicht >geschickt< worden, wie Sie es auszudrücken belieben. Emma ist
aus freiem Willen gegangen.«
Emmas
Mutter stand unter dem Rascheln gestärkter gelber Seide anmutig auf, ging um
ihn herum und brachte Abstand zwischen ihn und sich. »Vielleicht hat sie
Bristol verlassen, weil ihr das als der einzig mögliche Weg erschien, etwas zu
beenden, was sie inzwischen selbst als einen Irrtum erkannt hat.«
»Vielleicht.
Aber wahrscheinlicher ist, daß Sie mit Ihrem Hintern hier auf Ihrem
seidenbezogenen Stuhl sitzen und mir mit Ihren blitzenden Goldzähnen etwas
vorlügen.«
Sie war härter, als er es ihr zugetraut hätte. Sie stand
aufrecht wie ein Schiffsmast vor ihm. Ihr Gesichtsausdruck war so ruhig, daß er
schon leer wirkte. Doch dann entdeckte er die Angst in ihren Augen – Schatten,
die wie Sturmwolken vor dem Wind vorüberzogen. Warum soll sie auch keine Angst
haben, dachte er, wenn ihre Tochter . mit einer dummen Affäre beinahe ihr Leben
zerstört hätte. »Möglicherweise hat Ihnen etwas an ihr gelegen«, sagte Bethel.
»Sie haben sich vielleicht sogar eingeredet, daß Sie Emma lieben. Wenn es so ist,
dann sollten Sie an sie denken. Lassen Sie meine Tochter in Ruhe. Um
ihretwillen, lassen Sie Emma in Ruhe. Was können Sie ihr außer einem
unglücklichen Leben bieten?«
Shay nahm
das Zimmer mit seinen seidenbezogenen, vergoldeten Wänden und dem Stuhl mit der
hübschen, sinnlosen Uhr bewußt in sich auf.
»Ich denke«, erwiderte er,
»diese Worte klingen ehrlicher, als ich es auszudrücken vermag.«
Er verließ die goldgeschmückte
Frau in dem goldgeschmückten Zimmer des goldgeschmückten Hauses mit geballten
Fäusten und einer ungeheuren Wut im Bauch.
Aber Shay
verließ das Gelände nicht sofort. Er folgte dem Weg durch die Bäume zum Strand,
wo ihre kleine Schaluppe gewöhnlich lag. Die Segel der Ikarus waren
eingeholt, jedoch nicht abgeschlagen, die Schoten lagen als wirre Knäuel an
Deck, und im Cockpit standen Wasserpfützen. Sein Mißtrauen und seine
Befürchtungen erwachten von neuem.
So, wie er
Emma kannte, war sie eine zu gute Seglerin, um aus einer Laune heraus auf
irgendeine Baumwollplantage zu fahren, um dort den Winter zu verbringen und ihr
Boot verkommen zu lassen. Aber
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