Penelope Williamson
zu
kommen, jedoch nie eine Antwort erhalten. »Sollte ich mich geschmeichelt
fühlen, oder ist dir nur das Geld ausgegangen?«
Er beugte
sich zu ihr hinunter und küßte die Luft neben ihrer Wange. »Einen schönen guten
Tag, Maddie, mein Mädchen. In der Tat hatte ich in letzter Zeit eine seltene
Glückssträhne auf dem Rennplatz.« Er lachte. »Nein, diesmal bin ich gekommen,
weil ich einen Skandal wittere.«
»Einen Skandal?« Sie bemühte
sich um einen unbeschwerten Ton, doch ihre Stimme klang plötzlich kalt. Also
wußte er es, wahrscheinlich nicht alles, aber etwas.
»Hin und
wieder finde ich es unterhaltsam, einen Skandal ans Licht zu
bringen«, fuhr er unbekümmert fort, »dann, wenn die vielen Feste, das Trinken
und das Spielen anfangen, ihren Reiz zu verlieren.«
Er stand
mit dem Gesicht zur Bucht, schob eine Hand in die Jakkentasche und stellte
einen Fuß auf eine der verzierten Eisenvasen, die in regelmäßigen Abständen am
vorderen Rand der Terrasse standen. Er holte tief Luft und richtete sich auf.
Er sieht
sehr männlich aus, dachte Maddie und wurde rot.
»Weißt du,
Maddie, es kostet keine übermenschliche Anstrengungen, unsere enge kleine Welt
hier in Bristol zu belügen und damit auch noch durchzukommen. Trotz unseres
vielen Geldes und allem gesellschaftlichen Getue sind wir ein kleines Dorf. In
den Kreisen, in denen ich mich manchmal in New York bewege, ist man boshaft und
spitzfindig. Es gibt Leute, deren einziger Lebensinhalt darin besteht, die
Lügen und Täuschungen anderer aufzudecken und bloßzustellen.«
Stuart nahm
den Fuß von der Vase und drehte sich wieder nach ihr um. Er musterte sie so
eindringlich, daß sie den Kopf senken mußte. Sie hatte ihn angefleht zu kommen,
weil sie ihm die Wahrheit, einen Teil der Wahrheit sagen und ihn bitten wollte,
das schreckliche Unrecht wiedergutzumachen, das sie angerichtet hatte. Doch
nun war er hier, und sie fürchtete sich. Wenn er von ihrer Rolle in diesem
>Skandal< erfuhr, würde er sie so sehen, wie sie wirklich war, und sie
verachten.
»Manchmal«,
fuhr er fort, »macht es meinen Freunden Spaß, ihre Talente in unbekannten
Gewässern zu erproben und hinter die kleinen schmutzigen Geheimnisse von uns
Heuchlern hier in der Provinz zu kommen. Besonders dann, wenn wir zu vornehmer
Scheinheiligkeit neigen. Und wenn sie irgendwelche schmutzigen kleinen Geheimnisse
entdecken ...« Er breitete die Hände aus, »oh, das kannst du mir glauben, dann
wird geredet und geredet.«
Maddies
Herz schlug immer lauter.
Er weiß es
... Er weiß alles ... Was weiß er?
»Stuart, versuchst du zufällig
gerade den Mut aufzubringen, mir ein bestimmtes, besonders pikantes Gerücht zu
überbringen?«
»In
gewisser Hinsicht ja ...« Er lachte, aber es klang bitter. »Verstehst du, ich habe in aller Unschuld jemandem gegenüber erwähnt,
daß die schöne Verlobte meines Bruders seit zwei Monaten zu Besuch bei
Verwandten ihrer Mama ist und in deren schönen und eleganten Haus auf einer
Plantage in Georgia weilt, und was höre ich? Es gibt keine Verwandten in
Georgia. Oder, und das ist für meinen spitzfindigen Freund von noch größerem
Interesse, es gibt keine Verwandten mit einem schönen eleganten Haus und einer
Plantage.«
Er trat näher, bedrohlich nahe,
bis seine Beine ihre Knie berührten. »Und wenn es keine Verwandten in Georgia
gibt, frage ich dich, wo ist unsere liebe Emma dann?«
»Ich weiß nicht, wovon du
sprichst. Natürlich gibt es ein Haus und eine Plantage. Mama hat oft von ihren
Verwandten auf High Grove gesprochen.«
Doch Maddie hatte große Angst, denn sie log. Emma war nicht
dort. Stuart neigte sich über ihren Rollstuhl, stützte die Hände auf die
Armlehnen und beugte sich so weit vor, daß Maddie die Bewegungen seiner feinen
Nasenflügel beim Atmen und die Fältchen an seinen Mundwinkeln sah. Sie
entdeckte sogar die schwarzen Pünktchen, die wie Staubpartikel in seinen grauen
Augen zu schwimmen schienen. Und sie roch den abgestandenen Champagner und
einen schwachen, süßen und klebrigen Geruch wie von verbrannten Erdnüssen.
»Gestehe, Maddie! Was hat Emma getan, und was habt ihr, du und deine Mama, mit
ihr gemacht?«
Mit ihrer
Antwort brach ein angstvolles Schluchzen aus ihr heraus. »Ich mußte es Mama
sagen. Zu Emmas eigenen Besten mußte ich es ihr sagen.« Aber das war eine Lüge.
Dabei hatte sie wirklich nichts zu ihrer Mutter sagen wollen, und sie hätte es
auch nicht getan, aber dann ...
Dann sah
sie Emma, die vom Tor
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