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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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umdrehte, stand der alte wohlbekannte Schaukelstuhl völlig
still. Doch das vertraute Geräusch, das Erinnerungen weckte, gab ihr den Mut,
die Stufen hinunter und über den Rasen zu gehen, auf dem der nasse Schnee in schmutzigen
Klumpen lag. Weiter unten zwischen den Birken ballte sich der Nebel wie Rauch.
    Einmal blieb sie stehen,
blickte hinauf zum Himmel und ließ das Blau ihre Augen füllen. Sie nahm es tief
in sich auf.
    Als sie sich wieder in Bewegung
setzte und auf die Birken zuging, die weiß, schwarz und grau in der
Winterlandschaft standen, fühlte sie sich besser. Allerdings fühlte sie sich
nicht wie die alte Emma, sondern eher wie ein anderer Mensch.
    Von der
Bucht stiegen silbergraue, undurchsichtige Nebelschwaden auf. Sie konnte nicht
erkennen, wo das Wasser endete und der Himmel begann. Der Strand war eine
seltsame, kunstvoll vom Wind geschaffene Landschaft aus Schnee und Sand.
    Emma war zuletzt an dem Tag
hier gewesen, als sie im Sturm nach Hause gesegelt war. Sie hatte die Ikarus in einem schrecklichen Zustand zurückgelassen, doch sie stellte fest, daß
die Schaluppe in Ordnung gebracht worden war.
    »Du bist weggegangen und hast dein Boot vergessen, Emma«,
sagte eine rauhe Stimme, die sie nie mehr zu hören geglaubt hatte. Die
zersplitterten, zerbrochenen Teile in ihr veränderten schmerzhaft ihre Lage.
    Shay trat
zwischen den kahlen Bäumen hervor. Seine Hände steckten in den Taschen der
Matrosenjacke, und der Schlapphut verbarg sein Gesicht. Er kam ihr so nahe, daß
sie ihn hätte berühren können. Doch sie fürchtete sich zu sehr, um das zu tun.
    »Du bist also wieder
zurückgekommen«, sagte er, und sein Atem bildete kleine Wölkchen, die über sein
Gesicht trieben, über sein schönes, vernarbtes Gesicht.
    »Zurückgekommen?«
    »Von deinen Verwandten in dem
prächtigen Haus auf ihrer Plantage in Georgia.«
    Ihre Haut war kalt und feucht,
doch ihr Herz schlug schnell und unruhig. Er hatte sehr grüne Augen.
    Ich kann das nicht mehr ertragen, dachte sie.
    »Donagh hat dich gestern
zufällig am Bahnhof gesehen«, sagte er. »Daher weiß ich, daß du zurück bist.«
    »Ja.«
     Sie
hätten im Wagen der Anstalt zurückkommen können, sie lag nur wenige Meilen
entfernt. Doch Geoffrey erklärte, sie müßten die Bahn nehmen, damit niemand,
der von Bedeutung war, die Wahrheit erraten und wissen würde, wo sie gewesen
war.
    »Ich hatte
mir gedacht, daß du als erstes nach deinem Boot sehen würdest«, sagte er.
»Deshalb bin ich hier. Ich will wissen, wie es dir geht, Emma.«
    Eine plötzliche Wut auf ihn
loderte in ihr auf – Wut darüber, daß er mit seiner Prophezeiung recht gehabt
hatte.
    »Ich werde
Mr. Alcott heiraten«, sagte sie. »Mama will nicht mehr die vollen zwei Jahre
warten. Deshalb wird die Hochzeit im Juni sein. Mama sagt, er ist so solide und
zuverlässig wie die Steine seiner Fabrik.«
    Er musterte sie eindringlich
von Kopf bis Fuß. Sie mußte den Blick abwenden. »Gibt es ein Kind, Emma?«
    Die
zerbrochenen, zersplitterten Stücke veränderten ihre Lage von neuem. Plötzlich
wollte sie zurück ins Haus, wo es warm war – und sicher.
    Sie blinzelte und sah ihn
wieder an. »Du bist nicht nach New York gegangen?«
    »Nein ...
noch nicht.« Jetzt hörte sie den Schmerz der ungeheilten Wunden in seinem
rauhen Flüstern. »Ich mußte wissen, wie es dir geht. Wenn du ein Kind ...«
    Als sie ihn ansah, fiel es ihr
schwer, sich daran zu erinnern, daß sie ihn eigentlich nicht mehr lieben
durfte. Irgendwie fand sie den Mut, sein Gesicht zu berühren, mit dem Finger
über die dünne weiße Narbe zu streichen, die seine Wange zerschnitt.
    »Shay«, sagte sie. »Shay
McKenna«, als probiere sie seinen Namen, als spräche sie ihn zum ersten Mal
aus. »Hast du mich jemals auch nur ein ganz klein wenig geliebt?«
    »Dich geliebt?« Er drehte den
Kopf, damit er mit dem Mund über ihre Finger gleiten konnte. »Ich liebe dich, mo
Chridh. Wenn ich tausend Jahre tot bin, wird das, was immer von mir übrig
ist, sei es eine Seele oder nur eine Handvoll Staub, dich lieben.«
    Sie ließ die Hand sinken. »Aber
ich werde Geoffrey heiraten. Das ist das beste.«
    Sie sah,
wie sich sein Adamsapfel bewegte, als er schluckte, sah, wie sich seine Brust
hob und senkte, als er atmete. »Es ist das beste, wenn du glücklich bist.« Er
starrte auf den Sand. »Wirst du glücklich sein, Emma?«
    »Mir ist
kalt. Ich ... ich gehe besser ins Haus zurück.«
    Emma ging
davon. Langsam legte sie den Weg vom Strand zu

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