Penelope Williamson
Haare glänzten nicht mehr so wie früher und sie mußte ihre Fülle
durch Haarpolster vortäuschen. Sie trug nur noch hochgeschlossene
Spitzenkragen, um die Falten an Hals und Kinn zu verbergen. Die Augen waren
jedoch noch immer himmelblau, aber die vielen Krähenfüße blieben hartnäckig,
obwohl sie schon seit langem aufgehört hatte zu lächeln. Es gab für sie keinen
Grund mehr zu lächeln.
Ein Gefühl hohler Leere überkam
sie. Irgendwo in ihr lebte noch das bezaubernde Mädchen, das mit Gardenien im
Haar und großen Hoffnungen auf einen Ball gegangen war.
Ein Windstoß traf das Fenster,
und sie schloß die Augen. Als Bethel sie wieder aufschlug, verhüllten die
Wolken von neuem die Sonne. Das Spiegelbild war verschwunden, und sie sah nur
noch ihre junge und hübsche Tochter Emma, deren ganzes Leben wie eine glänzende
Straße – gerade und sicher – vor ihr lag.
Und als ihre Tochter lachend den
Kopf zurücklegte – ein Lachen, das Bethel nicht hörte –, hatte sie das seltsame
Gefühl, in ihrem Leben etwas Bedeutendes verpaßt zu haben.
»Du mußt
sehr glücklich sein, Emma. Eigentlich müßtest du wie ein reifer, saftiger
Pfirsich vor Freude platzen.«
Emma
blickte lächelnd auf die hellen Haare ihrer Schwester. »Das klingt sehr klebrig«,
erwiderte sie und lachte noch mehr, als Maddie auch über ihre Antwort lachen
mußte. Sie legte ihre Hand auf die Schulter ihrer Schwester und drückte sie
sanft. »Ich bin überhaupt nicht sehr glücklich, wenn ich daran denke, daß ich
dich und Mama verlassen werde.«
Das
Zuhause verlassen.
Emma
blickte über den vom Winter zerzausten Rasen, der bis zu dem dichten Birkenwald
hinter dem Haus reichte. Die tief ziehenden Wolken schienen die Baumwipfel zu
streifen. Der salzige Wind fuhr durch die kahlen Äste. Doch der Frühling würde
wie in jedem Jahr auch dieses Mal mit Sicherheit kommen. Emma spürte schon das
hoffnungsvolle Sehnen des Frühlings in ihrem unruhig klopfenden Herzen.
Maddie
griff nach der Hand ihrer Schwester. Ihre Augen glänzten feucht, ob vom Lachen
oder von zurückgehaltenen Tränen, konnte Emma nicht sagen. Vielleicht war auch
der kalte und salzige Wind schuld daran.
»Ach, sei
still!« rief Maddie. »Benimm dich nicht wie ein Schaf. Erstens wird die
Hochzeit erst in zwei Jahren sein. Außerdem ziehst du nur in das Haus in der
Hope Street. Wenn du willst, kannst du uns jeden Tag besuchen, obwohl ich mir
nicht vorstellen kann, warum du das tun solltest. Aber gib es doch zu: Ein
Traum wird wahr, du heiratest den Mann, den du liebst.«
Emma
blickte wieder zu den Birken vor dem Haus, um ihrer Schwester nicht in die
Augen sehen zu müssen. Gewiß, sie liebte Geoffrey. Allerdings fiel es ihr noch
immer schwer zu entscheiden, ob die Heirat mit ihm wirklich ihr eigener Traum
war oder das, was alle anderen sich für sie erträumten.
»Aber du bist so schön«, sagte
Maddie. »Du hättest jeden Mann haben können, der dir gefällt ...«
»Jetzt bist du das Schaf!« rief
Emma. Sie bemühte sich immer sehr so zu tun, als gäbe es ihre Schönheit nicht,
denn diese Schönheit besaß eine Macht, die
sie zwar erkunden wollte, vor der sie sich aber fürchtete. »Mir gefällt nun
einmal Geoffrey und nicht irgendein anderer Mann.«
»Das wäre wirklich schrecklich,
wenn du die Frau irgendeines Mannes würdest«, erwiderte Maddie und imitierte
dabei die Aussprache ihrer Mutter. Emma lachte.
Maddie
drehte sich um und ließ die Hände in den Schoß sinken. Sie seufzte, obwohl es
nicht besonders traurig klang. »Weißt du noch, wie wir uns gestritten haben,
wer von uns beiden Stuart heiraten würde?«
»Das
stimmt nicht. Das habe ich bestimmt niemals getan!«
Maddie
lachte wieder. »Aber natürlich, ich erinnere mich ganz genau.«
»Oh, wie
peinlich!« Emma legte die Hand an die Stirn und tat, als falle sie in Ohnmacht.
»Damals war ich vermutlich noch sehr jung und ließ mich wohl noch vom Aussehen
blenden, ohne auf den Charakter zu achten.«
»Stuart hat viel Charakter«,
widersprach Maddie. »Er hatte es immer schwer, weil Geoffrey stets der perfekte
Sohn war.« Sie seufzte. »Der arme Stuart. Ich mache mir manchmal Sorgen um ihn.«
Ihre Stimme klang plötzlich weich, und sie blickte versonnen und sehnsüchtig in
die Ferne. »Ja, trotz allem ...«
Emma mußte
schlucken. Sie hatte ihrer Schwester noch nicht erzählt, daß Stuart Alcott
wieder zu Hause war, denn das würde Madeleine nur Kummer bereiten. Außerdem war
da der Gedanke an den
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