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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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in ihrem Rücken das leise Lachen eines Jungen und das Quietschen des
alten Schaukelstuhls.
    Aber als
sie sich umdrehte, saß niemand dort.

Fünftes Kapitel
    Die
Carter-Schwestern erschienen an diesem Tag als erste zum Tee. Sie rollten in
einem uralten Landauer, der von zwei mit roten, weißen und blauen Federbüschen
geschmückten Pferden gezogen wurde, durch das hohe schmiedeeiserne Tor.
    Sie
durchquerten in einer süß duftenden Wolke von Puder und Veilchenparfüm die
Halle aus schwarzweißem Marmor. Sie trugen Volants und Federn an den Hauben,
wie sie vor dem Krieg Mode gewesen waren. Die Carter-Schwestern waren die
reichen unverheirateten Töchter eines Bierbarons aus Providence. Für sie war
die Zeit vor dreißig Jahren stehengeblieben.
    Miss
Liluth, die jüngere Schwester, war, wie man in Bristol höflich sagte, »etwas
überreizt«, obwohl sie, und darin waren sich alle einig, früher einmal ganz
normal gewesen war. Aber ihr Verlobter war bei Antietam gefallen, und sie hatte
seinen Tod niemals verwunden. Er war mit dem Dienstagnachmittagzug nach Providence
gefahren, und Miss Liluth hatte sich in den Kopf gesetzt, daß derselbe Zug, mit
dem er davongefahren war, ihn auch wieder zurückbringen werde. Deshalb
erschien sie seit Ende des Krieges jeden Dienstagnachmittag am Bahnhof in der
Franklin Street und wartete auf ihn.
    »Ich sage
Ihnen, ich habe es irgendwie geahnt, daß die Damen heute kommen würden«, sagte
Bethel, als sie den beiden Schwestern Platz in den weich gepolsterten Sesseln
mit Brokatbezügen anbot, »und deshalb heute morgen Liluths Lieblingsplätzchen
backen lassen und für Annabelle die köstlichen Sahneschnitten, die sie so
liebt. Und wagen Sie nicht zu sagen, Sie werden nichts essen. Sie sind beide in
letzter Zeit geradezu spindeldürr geworden.«
    Emma
unterdrückte ein Lächeln über die boshafte Bemerkung ihrer Mutter,
denn die ältere Miss Carter war das, was man in ihren Kreisen höflich als eine
»stattliche Frau« bezeichnete. Sie war außerdem nicht gerade eine Schönheit mit
ihren kleinen, kurzsichtigen Kürbiskernaugen und einem Muttermal, das wie ein
Wasserfleck aussah, auf der linken Wange.
    Außerdem wußte ganz Bristol,
daß sie sich mit sechzehn unsterblich in William Tremayne verliebt hatte. Sie
liebte ihn auch dann noch, als er Bethel heiratete und mit ihr drei Kinder
hatte.
    »Ich,
meine Lieben, darf mir leider nicht den kleinsten Bissen gönnen«, fuhr Bethel
ohne Unterbrechung fort, »denn ich muß gestehen, ich faste zur Zeit. Jedesmal,
wenn meine Entschlossenheit ins Wanken gerät, erinnere ich mich daran, daß
meinem William bei unserer ersten Begegnung vor allem meine schlanke Figur ins
Auge fiel.« Sie deutete mit der Hand auf das blauweiße chinesische Teeservice,
das auf dem silbernen Servierwagen stand. »Emma, sei doch so gut und kümmere du
dich heute um den Tee!«
    Emma wußte,
daß sie den Tee eingießen sollte, damit ihr Verlobungsring besser zur Geltung
käme. Eine junge Dame der guten Gesellschaft prahlte natürlich niemals mit
ihrem Glück, aber ein dezenter Hinweis war erlaubt.
    Den
Carter-Schwestern würde der Ring natürlich nicht entgehen, denn er funkelte an
diesem grauen Regentag wie blaues Feuer. Den Ring krönte ein riesiger Saphir
umgeben von einem Dutzend Diamanten. Geoffrey hatte ihr den Ring erst am Tag
zuvor über den Finger gestreift. Danach hatte er ihre Hand umgedreht, die Handfläche
geküßt und die Innenseite des Handgelenks. Dann und erst dann hatte er sie auf
die Lippen geküßt.
    Das Gefühl seines Mundes auf
ihren Lippen überraschte Emma. Es war seltsam, süß und leidenschaftlich. Als er
sich von ihrem Mund löste, glühten ihre Lippen heiß. Sie berührte sie mit der
Zunge und schmeckte ihn.
    Der Ring
wurde von den beiden älteren Damen wie erwartet bemerkt und bewundert. Emma
lächelte höflich, als sie Miss Liluth die Teetasse reichte – ohne Milch, aber
mit zwei Löffel Zucker. Liluth Carter hatte zu ihrer Zeit als eine Schönheit
gegolten, und sie war noch immer hübsch. Sie hatte blaßblonde Haare,
eine weiße Haut und veilchenblaue Augen.
    Emma fragte
sich, ob Miss Liluth von ihrem Verlobten zum Abschied geküßt worden war, bevor
er in den Krieg zog, um zu sterben. Vielleicht hatten sie sich am Abend davor
sogar noch geliebt. Emma fand den Gedanken an eine so wundervolle Sünde mit dem
Mann des Herzens schrecklich aufregend – so aufregend wie Segeln im Sturm ...
und natürlich auch gefährlich, denn die Sache konnte

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