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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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pas des Bräutigams hinsichtlich Etikette und Tradition in
Vergessenheit geraten ließ.
    »Es wird
eine Jahrhunderthochzeit!« schwor sich Bethel laut, und ihre Worte hallten in
der großen marmornen Eingangshalle des Hauses wider wie ein Gebet.
    Sie hatte
die alte Orangerie verlassen und war durch den Vordereingang ins Haupthaus
zurückgekehrt. Sie tat das oft, selbst dann, wenn sie nur von einem kurzen
Spaziergang im Garten zurückkam. Sie betrat The Birches wie ein Gast.
Gemessen und würdevoll öffnete sie die massive, kassettierte Ebenholztür. Auf
diese Weise konnte sie die ganze Pracht des Hauses auf sich wirken lassen. Es
erinnerte sie daran, wie weit sie es im Leben gebracht hatte und wie wachsam
sie stets sein mußte, um das Ansehen der großen alten Familie zu wahren, in die
sie eingeheiratet hatte.
    Diesmal durchzuckte sie jedoch
ein anderer Gedanke, und sie blieb wie angewurzelt mitten in der riesigen
gewölbten Eingangshalle aus Marmor stehen.
    William
wird zur Hochzeit nach Hause kommen!
    Sie legte den Handrücken an
ihre glühende Wange. Ihr Herz klopfte so heftig, daß sie glaubte, die Brust
werde ihr zerspringen.
    Gewiß wird er nach Hause
kommen. Er muß kommen. Er muß einfach zurückkommen ...
    Sie würde
ihm schreiben – nein, sie würde Emma beauftragen, ihm zu schreiben, und ihn
bitten, zu ihrem Fest zu kommen. Es konnte nicht angehen, daß ein Mädchen ohne
ihren Vater zum Traualtar gehen würde. Er mußte sie nach alter Tradition dem
Bräutigam zuführen.
    Die
Hochzeit würde Bethel endlich die Möglichkeit geben, mit ihm zu sprechen und
ihm alles zu erklären. Sie würde ihm sagen, daß es falsch von ihm gewesen war,
bei ihr die Schuld für das tragische Geschehen in jener Nacht zu suchen. Sie
würde ihm erklären, daß sie nur getan hatte, was getan werden mußte. Sie hatte
nur getan, was die Welt von ihr erwartet hatte, für die Familie, für sie alle.
    Seine Worte beim Abschied waren
verletzend, ungerecht und bösartig gewesen. Er hatte ihr vorgeworfen, herzlos
zu sein. Wie konnte er nur so etwas sagen!
Bethel hatte alles getan, um ihm eine perfekte und vornehme Frau zu sein – die
Frau, die er verdiente. Und sie liebte ihn und die Kinder von ganzem Herzen.
Natürlich war es so, daß manchmal andere Pflichten vorrangig waren. Aber die
Familie als Ganzes stand immer an erster Stelle, dann erst kam der einzelne.
Als ein Tremayne hätte er das verstehen müssen.
    Sie war
nicht grausam, eigennützig und nur auf Äußerlichkeiten bedacht, wie er ihr das
vorgeworfen hatte. Sie wußte, worauf es ankam – das hatte sie schon immer
gewußt.
    Außerdem
war sie noch immer so hübsch wie früher. Sie war schließlich erst
zweiundvierzig. Sie würde die wilde Leidenschaft in ihm wieder auflodern
lassen, die damals auf dem Ball in Sparta in seinen Augen geglüht hatte. Dazu
brauchte sie nur eine Gelegenheit. Sie mußte nur ein einziges Mal wieder mit
ihm allein sein.
    Bethel
zwang sich zu einem Lächeln und schob eine imaginäre Strähne aus der Stirn. Sie
sonnte sich im Vorgefühl ihres weiblichen Triumphs, als sie langsam den
gestärkten Spitzenkragen ihrer Bluse glattstrich. William würde nach Hause
kommen, und das war ihre Chance. Aber sie würde später noch sorgfältig über
alles nachdenken und ihre Strategie planen müssen. Die Nachmittagsgäste würden
bald eintreffen, und man durfte sie keinesfalls aufgelöst und mit gerötetem
Gesicht in der Halle vorfinden. Sie mußte unbedingt erst noch einen Blick in
den Salon werfen und sich davon überzeugen, daß dort alles in Ordnung war.
    Gemessen
und würdevoll durchquerte sie zufrieden die Halle. Den Blick fest auf die
verheißungsvolle Zukunft gerichtet, teilte sie die schweren grünen
Damastportieren und betrat den Salon.
    In der ersten Woche nach ihrer
Ankunft in The Birches hatte sie vom Wohnzimmer gesprochen, bis einer
der Dienstboten sie korrigierte. Es war einer der Augenblicke größter
Demütigung gewesen.
    Der Salon
bot eine glanzvolle Mischung aus Exotik und Tradition. Zwei Chippendale-Stühle
flankierten eine antike chinesische Rosenholztruhe mit Drachenfüßen. Ein
Seidenteppich, den tibetische Mönche gewebt hatten, lag auf dem schönen
Teakholzfußboden, der jede Woche mit aufgebrühtem schwarzen Tee geputzt wurde.
    Zwei große
goldene Schalen aus Indien schmückten den Sims des Kamins aus kostbarem
Sienna-Marmor. Jeden Tag wurden im neuen Gewächshaus frische amerikanische
Teerosen für die beiden Vasen geschnitten. Bethel

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